„Das Temperament ist wahrscheinlich von meiner italienischen Oma“, mutmaßt Sophie Pacini. Es hat ihr wohl bei der Karriere geholfen, von der sie in ihrem Münchner Lieblingscafé berichtet. Inzwischen sammelt sie Souvenirs, die sie von ihren weltweiten Konzertreisen mitbringt. Der bunt gemusterte Pullover, den sie beim Interview trägt, ist aus Hongkong. Die einzige Tochter einer deutschen Ärztin und eines italienischen Literaturprofessors kam 1991 zur Welt. Als sie das Klavier für sich entdeckte, wurde es für sie Freund und Medium. Seitdem spielt sie vor allem aus zwei Gründen: Weil sie stets ihre eigene Musikbegeisterung teilen will, und weil sie oft, wie sie sagt, „ihrer Seele Platz machen möchte“.
Als Achtjährige suchte sie sich ihren ersten Flügel aus. Zwar erreichte sie mit dem Fuß das Pedal noch nicht, dafür hatte sie aber schon klare Klangvorstellungen. „Es hat mir nichts gepasst“, erinnert sie sich. Am Ende einer intensiven Probenwoche ließen sich die Eltern breitschlagen, den gewünschten Steinway O zu kaufen. Sie nahmen dafür eigens einen Kredit auf. Offenbar hatte der Konzertflügel im Münchner Herkulessaal, an dem sie kurz zuvor das Finale des damaligen Karl-Lang-Wettbewerbs gewonnen hatte, damals schon neue Maßstäbe für sie gesetzt. „Dieses Persönchen hat uns sehr beeindruckt“, hieß es in einer Notiz der Jury an die Eltern. Den ersten Flügel von damals hat Pacini noch heute, in ihrer Wohnung im Münchner Stadtteil Bogenhau sen. Das Elternhaus im nahen Aying ziert inzwischen ein Steinway B Flügel, das Ferienhaus in der Toskana ein Yamaha-Modell.
Ihr Temperament half Pacini auch am Mozarteum in Salzburg. Dort galt es in jungen Jahren, mit dem strengen Regiment von Karl-Heinz Kämmerling zurechtzukommen. „Es war eine sehr harte Schule“, resümiert sie. Klaviervorträge bis ein Uhr nachts gehörten genauso dazu wie zwölf Meisterkurse pro Jahr, „an Orten, wo du wirklich nur Klavier spielen kannst“. Die ehrgeizige Schülerin lernte viel über Musik und Disziplin, aber auch über das Alleinsein. Intrigen, Bestechung, Diskriminierung, all das kam immer wieder vor, erinnert sie sich. Vor allem manche Eltern schufen ein Klima, in dem sich die Kinder untereinander nur schwer anfreunden konnten.
Lehrreiche Auseinandersetzungen
Nicht zuletzt wollte Kämmerling mit seinen Schülern glänzen. Als Pacini mit fünfzehn Jahren zu einem anderen Lehrer wechselte, wollte er sie exmatrikulieren lassen. „Das war schon heftig“, erinnert sie sich. Es gelang ihr dennoch, die gesuchten Impulse anderer Dozenten zu bekommen. Zu nächst bei Pavel Gililov, mit dem sie Stücke diskutierte und Interpretationen hinterfragte. Dmitri Bashkirov folgte, und schließlich zeigte ihr Fou Ts’ong den Weg zu einem freieren, emotionaleren Spiel. Zwar hat es mit ihm schon auch mal „richtig gefetzt“, sagt Pacini.
Aber sie lernte, sich aus sich herauszutrauen, ihrem Spiel mehr Dramatik zu geben. Das ist hörbar, zu sehen ist es kaum, denn Pacini kann ein noch so aufwühlendes Stück spielen – sie bewegt dabei fast nichts, außer Händen und Fingern. Sie selbst erklärt das so: „Sobald ich anfange, mich mit dem Körper zu bewegen, geht meine Energie weg von dem, was ich aussage.“ Von der „Mode, mit den Augen zu hören“, hält sie sowieso nicht viel.
Warum Klassik oft nur distanziert verklärt wird, versteht sie nicht. Für sie sind Schumann, Liszt, Chopin, Beethoven oder Mozart diejenigen, mit denen sie ihr Leben verbringt. „Das waren keine Nerds, das waren Lebemänner.“ Nur die Frauen müssten mit ihren Werken gegenwärtiger sein. Daher sollen auf ihrem neuen Album Stücke von Clara Schumann und Fanny Hensel dabei sein. Ihren Flügel zu Hause hat schon öfter Martha Argerich beehrt. Pacinis Beharrlichkeit hatte ihr 2010 bei einer Urlaubsbegegnung ein privates Vorspielen eingebracht. Seitdem wurde ihr berühmtes Idol zur Mentorin.
Sophie Pacini über ihr aktuelles Album: