Sie agieren im Gespräch wie in der Musik: Angelika Bachmann und Iris Siegfried von Salut Salon geben sich gegenseitig das Wort, jeder spielt mal die 1. Geige – und lachen beide so oft, wie man es selten in einem Interview erlebt. Die Freude an dem, was sie machen, ist im Konzert genauso wie im Gespräch zu spüren.
Sie verbinden Klassik mit Chanson, Filmmusik und Kabarett – wie entstehen Ihre Programme?
IS: Über die Jahre ist natürlich ein Repertoire entstanden. Außerdem bringt jede Stücke mit und stellt sie vor. Wenn eins sofort allen gefällt, dann ist es gesetzt. Wenn nicht, muss man versuchen, die anderen zu überzeugen. AB: Alle bringen sich mit Ideen ein.
Und wenn Sie sich bei den Stücken mal nicht einig sind?
AB: Wir haben ein Prozedere: Wir wechseln uns in der Probenleitung grundsätzlich ab. Am Ende trägt jeder sein schriftlich formuliertes Feedback über die Probe mit positiven und negativen Punkten vor. Und dann stimmen wir über die Stücke ab. IS: Wenn dabei noch kein eindeutiges Ergebnis kommt, stellen wir ein Stück erst mal zurück.
Künstlerische Prozesse funktionieren selten so demokratisch. Gibt es auch mal Knatsch?
IS: Wir müssen das, was wir tun, ja auch zu viert nach außen vertreten können. AB: Am Ende erreichen wir diesen Punkt immer. Für unser Feedback haben wir gelernt, die sachliche von der persönlichen Ebene zu trennen. Und dadurch ist die Wertschätzung füreinander nicht in Frage gestellt. Das ist aber auch eine Frage der Persönlichkeit – ich hatte noch nie das Gefühl, dass jemand, der einen Ton kritisiert, mich deswegen persönlich angreift. IS: Wir versuchen, uns beim Proben auch nicht voreinander zu rechtfertigen oder ein Feedback noch groß zu diskutieren.
Und wenn die Stücke dann feststehen…
IS: … dann schreiben wir die Texte und machen uns über die Dramaturgie Gedanken. Wir arbeiten so lange an den Arrangements, bis wir zufrieden sind. Erst am Ende schauen wir, wie wir das Programm dann dramaturgisch zusammensetzen. AB: Und dabei gilt immer die Regel, dass wir nur das machen, was allen Vieren 100-prozentig gefällt. IS: Wenn einer sagt, da stimmt irgendwas nicht, dann ist das in der Regel auch so. Sei es in der Spielweise eines Stückes oder in der Abfolge: Ein Werk muss an einer bestimmten Stelle stehen, damit es seine Wirkung entfalten kann.
Stichwort Abfolge: Wie entwickeln Sie den roten Faden?
AB: Unser neues Programm heißt: „Die Nacht des Schicksals“. Da schwingen viele Geschichten mit, zum Beispiel aus der griechischen Mythologie… IS: … und unserem persönlichen Schicksal (lacht). AB: Die Zusammenhänge zwischen solchen Geschichten und der Musik vermitteln wir in unseren Moderationen. IS: Menschen haben ja immer versucht, das Schicksal zu beeinflussen – musikalisch ein Beispiel dafür: Der Feuertanz von Manuel de Falla. Gerade Tänze stehen ja oft in einem Zusammenhang mit einem Ritus oder einer Art Gottesanbetung.
Sollen die Moderationen die Musik „zugänglicher“ machen?
AB: Ja, diese Wirkung haben sie wohl. Und wir freuen uns, wenn Menschen in unsere Konzerte kommen, die sonst nie in klassische Konzerte gehen. Aber wir möchten genauso auch Menschen erfreuen, die sich sehr gut auskennen und die dann Stücke wiedererkennen und denen auch Details auffallen, die wir in unseren Arrangements eingebaut haben. Und ich finde es toll, wenn wir zur Musik Assoziationen ermöglichen können, wenn wir zum Beispiel mit einem Zitat von Pablo Neruda zu Musik von Astor Piazzolla… IS: … die Menschen in eine Stimmung versetzen, mit der sie die Musik anders wahrnehmen.
Auf das „neue“ Publikum, das Sie erreichen, sind wahrscheinlich andere Ensembles auch neidisch. Was kann die Klassik-Szene von Ihnen lernen?
AB: Das Schöne ist doch die Vielfalt. Ich gehe auch gerne in ein „normales“ Konzert und genieße diese andächtige Atmosphäre. IS: Und es gibt ja auch immer mehr Konzerte, die in einen anderen Rahmen gestellt werden, wo moderiert wird usw. Das hat alles seine Berechtigung. AB: Das ist im Übrigen nicht neu, wie die Musikgeschichte belegt. Aber jeder muss tun, wozu er berufen ist (lacht). Und uns macht es eben so Spaß.
Aber gibt es etwas Konkretes, von dem Sie sagen: Da würden wir uns Nachahmer wünschen?
AB: Wir haben keine Ratschläge zu geben. Aber es ist toll, dass es neue Impulse gibt, Kinderkonzerte zum Beispiel. IS: Auch bei Festivals passiert viel, etwa Künstlergespräche vor oder nach einem Konzert, und das wird ja sehr positiv aufgenommen. Mir persönlich gefällt das auch sehr, einen Künstler noch anders kennen zu lernen als „nur“ musikalisch.
Wie sieht für Sie als Zuhörer das ideale Konzert aus?
AB: Es muss vor allem authentisch sein, es muss mich emotional erreichen. IS: Manchmal ist es das Werk, mal die Interpretation oder der Künstler, der einen beeindruckt. AB: Ich mag eher kleinere Ensembles. Es muss mich einfach berühren, das kann man schwer erklären.
Versuchen Sie das in Ihren eigenen Konzerten auch herzustellen, was Ihnen als Zuhörer gefällt?
AB: Wir gehen da gar nicht so logisch vor, sondern wir gucken, welche Stücke wir schön finden. IS: Wir gehen eigentlich immer mehr von uns aus als vom Publikum (laut schallendes Gelächter). AB: Wie auch sonst, das Publikum will ja überrascht werden und ich weiß, wenn mich selbst ein Stück nicht berührt, dann kann ich schließlich auch niemand anderen damit berühren.
Es gibt aber ja sicher auch Leute, die sagen: Ach, die spielen doch nur, was das Publikum hören will.
AB: Dafür sind wir zu egoistisch (lacht). Wir haben das Quartett vor über zehn Jahren ja nicht gegründet, weil wir damit Karriere machen wollten, sondern wir haben immer gesagt, wir machen das so lange, wie es uns Spaß macht. Und ich glaube, das überträgt sich aufs Publikum. Und da sind wir für manchen Scherz zu haben. Wir haben zum Beispiel gerade bei der Verleihung des 11. Deutschen Hörfilmpreises in Berlin für ein teilweise sehbehindertes Publikum gespielt und sollten unser Aussehen mit Worten beschreiben. IS: Da haben wir uns auf der Bühne gegenseitig durch den Kakao gezogen! (allgemeines Lachen) Und das Publikum hat sich richtig amüsiert.
Ihre bisherigen Programme kamen ja sehr gut an. Wie gehen Sie mit Erfolgsdruck um?
AB: Ach, wir machen das ja vor allem, weil wir Freude daran haben. (lacht) Als es am Anfang im Thalia Theater hieß, Ihr macht sieben Shows, habe ich gesagt, oh, 7.000 Leute so viele kenne ich ja nicht einmal. Mittlerweile geben wir hier 14 Shows im Sommer. Aber darüber denke ich gar nicht nach.
Aber Sie sind beide Workaholics.
AB: Ja, wir arbeiten beide sehr gerne und empfinden das nicht als Druck oder Belastung. Auch unsere vielen Kinderprojekte nehmen uns sehr in Anspruch, aber wir machen es gerne, und wenn es sein muss, auch mal nachts um eins. IS: Wir haben da tatsächlich eine ähnliche Einstellung, das gleiche Engagement. Keiner denkt, jetzt macht der andere aber weniger und ich mehr.
Klingt fast zu perfekt, um wahr zu sein.
AB: Ist aber wirklich so. Wenn unsere Beziehungen so nicht funktionieren würden, dann könnte unser Quartett auch nicht so spielen. Das Vertrauen muss da sein, sonst würden wir nicht zusammen Musik machen. Aber Demokratie ist auch nicht immer einfach. Da können nicht alle gleichzeitig reden und auf den Tischen tanzen. Dafür haben wir die besagten Regeln definiert.
Und welche Ziele haben Sie noch nicht erreicht?
AB: Alles schön, wie es ist. (lacht) Ich habe mir diese Frage nach der Zukunft nie ernsthaft gestellt. IS: Aber doch, ein Ziel gibt es: Japan! Da waren wir noch nicht. AB: Wir haben jetzt auch ein japanisches Lied im Programm, vielleicht bucht uns ja mal ein japanischer Veranstalter. IS: Auf der ganzen Welt haben wir gespielt, alles war eine Generalprobe für den großen Auftritt in Japan. (lacht)