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Hindemith: Sinfonie „Mathis der Maler“

(UA Berlin 1934) Die Sinfonie entstand vor der gleichnamigen Oper (1935). Wilhelm Furtwängler konnte die Uraufführung der Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern bei der Reichsregierung noch durchsetzen, aber die Oper schrieb Hindemith nur noch für sich und zur Klärung seines weiteren Weges. An der Figur des historisch kaum greifbaren mittelalterlichen Malers Mathis Gothard Nithart, genannt…

(UA Berlin 1934)

Die Sinfonie entstand vor der gleichnamigen Oper (1935). Wilhelm Furtwängler konnte die Uraufführung der Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern bei der Reichsregierung noch durchsetzen, aber die Oper schrieb Hindemith nur noch für sich und zur Klärung seines weiteren Weges. An der Figur des historisch kaum greifbaren mittelalterlichen Malers Mathis Gothard Nithart, genannt Grünewald, Schöpfer des gewaltigen Isenheimer Altars, arbeitete er die brisanten Themen des Lebens unter dem Nationalsozialismus ab: Mathis ergreift Partei für Verfolgte, leistet Fluchthilfe, zeigt Zivilcourage, erlebt eine Bücherverbrennung, wird zusammengeschlagen, zweifelt an sich selbst und am Sinn von Kunst in apokalyptischer Zeit, schafft in einer als Albtraum erlebten Nacht sein Werk, und steht schließlich vor der Frage des inneren oder äußeren Exils.

Die Sinfonie schildert weniger die Vorgänge auf den drei ausgesuchten Altartafeln als vielmehr den geistig künstlerischen Vorgang ihres Entstehens. Hindemiths Kompositionstechnik ist handwerklich und reflektiert zugleich, sein Tonmaterial rein und frisch wie Farben auf der Palette des Malers, der sie mischt und aufträgt.

Engelkonzert – drei ruhende, duftige Streicherakkorde geben den Positionen der Figuren Schimmer, dahinter entsteht durch perspektivische Bläserbewegungen ein geheimnisvoller Klangraum. Den sanft hervortretenden Posaunenchoral (Es sungen drei Engel ein süßen Gesang) umschlingt eine schwebend schwingende Girlande – wie ein Spruchband. Hindemith arbeitet mit feinem und mit grobem Pinsel: Kammermusik und orgelmäßige Klangfülle wechseln ab.

Grablegung – die fast bewegungslose Trauermusik ist ganz aus dunklen, kühlen Intervallfarben von Sekund-, Quart- und Quintklängen aufgebaut, umso strahlender leuchtet der goldene Fis-Dur-Akkord der Auferstehungsfermate. Mit ausdrucksvollen, warmen Terzschichtungen sind die Klagen der Trauernden bedacht.

Versuchung des heiligen Antonius – zunächst werden mit pastosen Strichen die Umrisse des Höllenszenarios festgelegt. Dann bricht der Kampf um die Gestaltung dieser infernalischen Szene aus. Auch der betende Antonius (Oboenchoral Erhalt uns Herr) und die aggressiven Quälgeister (Streicher) werden zunächst mit dünnen Linien vorgezeichnet und dann farbig – instrumental, harmonisch und kontrapunktisch – bis zum Bersten aufgefüllt. Die Gestalt der Verführerin erscheint zunächst entworfen als (zu männliche) Cellofantasie, eine Begleitung wird nur skizziert. In der ausgeführten Version prangt sie übermalt als üppig weibliche Bratschenkantilene, die von mottenhaften Bläserpartikeln umflattert wird. Ein penetranter Cantus firmus der Höllengeister (Gib auf den Widerstand, wir sind dir höllisch nah) versucht den Lobgesang Lauda Sion des Heiligen zu übertönen, muss aber dem Alleluja weichen.

In der Oper Mathis der Maler erklingt die Grablegung am Schluss, dabei legt Mathis sein Handwerkszeug, seine Ehrenkette, ein paar Bücher, und ein persönliches Andenken in eine Truhe. Dann geht er – wie Paul Hindemith 1938 – ins Exil.

(Mathias Husmann)

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