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Oper im Porträt

Puccini: Turandot

Wie viele andere große Meister konnte auch Giacomo Puccini sein letztes Werk nicht mehr vollenden. Dennoch zählt seine Oper „Turandot“ zu seinen Hauptwerken und die Arie „Nessun dorma“ zu einer der bekanntesten Arien weltweit.

vonAndré Sperber,

Als Giacomo Puccini nach langanhaltenden Halsschmerzen im Herbst 1924 die Diagnose Kehlkopfkrebs bekam, war es eigentlich schon zu spät. Trotz einer Übersiedlung nach Brüssel, wo er sich einer schmerzhaften Behandlung mit Radium unterzog, erlag der passionierte Raucher am 29. November des gleichen Jahres einem Herzversagen. Mit ihm starb auch das Finale seiner letzten großen Oper „Turandot“. Bis dahin hatte der Komponist unermüdlich an ihrer Fertigstellung gearbeitet, doch während ihm die ersten Akte leicht von der Hand gingen, stellte ihn das finale Liebesduett, in dem sich die kaltherzige Prinzessin Turandot endgültig in eine Liebende verwandelt, vor eine unüberwindbare Schreibkrise.

Am Ende kann Turandot nicht widerstehen

Vier Jahre vor seinem Tod hatte sich Puccini mit dem Librettisten Giuseppe Adami dazu entschieden, Carlo Gozzis Theaterstück „Turandot“ von 1762 zu vertonen. Die Erzählung geht auf „Die sieben Schönheiten“ aus der orientalischen Sammlung „Tausendundein Tag“ zurück. Darin stellt die ihre Freiheit liebende chinesische Prinzessin Turandot jedem, der um ihre Hand anhält, drei Rätselfragen. Wer die Antworten nicht kennt, verliert seinen Kopf. Auch Calàf, der Sohn eines flüchtigen Tatarenkönigs, verliebt sich augenblicklich in Prinzessin Turandot und stellt sich der Fragerunde. Sein Vater und Liù, dessen Sklavin, flehen ihn an, es nicht zu tun. Liù gesteht ihm außerdem ihre Liebe.

Ankündigungsplakat für Puccinis Oper „Turandot“ 1926
Ankündigungsplakat für Puccinis Oper „Turandot“ 1926

Zum Entsetzen der Prinzessin weiß Calàf die Antwort auf alle drei Fragen. Obwohl er ihr jetzt versprochen ist, bietet Calàf ihr an, sie freizugeben, wenn sie bis zum nächsten Morgen errät, wie er heißt. In der gleichen Nacht ordnet die Prinzessin an, dass niemand schlafen dürfe, bis das Geheimnis des Namens gelüftet ist. Liù wird zu Turandot gebracht, doch statt ihren Geliebten zu verraten, ersticht sie sich mit einem Dolch. Erschüttert von diesem Ereignis gibt Calàf seine Identität preis. Mit einem leidenschaftlichen Kuss bricht er den letzten Widerstand der Prinzessin.

Puccinis Schaffen endet mit Liùs Tod

Puccini war zwar von Beginn an fasziniert von der Figur der Turandot, schuf mit der Rolle der Liù aber eine nahbare und warmherzige Gegenspielerin, die in der ursprünglichen Erzählung nicht vorkam. Mit ihrem Tod endet auch Puccinis kompositorische Tätigkeit an der Oper. Die von ihm ersehnte finale Liebesszene wurde schließlich von Franco Alfano vertont. Arturo Toscanini, der im April 1926 die Uraufführung in Mailand leitete, legte nach Liùs Tod den Taktstock nieder und wandte sich mit den Worten „Hier endet das Werk des Meisters. Danach starb er.“ an das Publikum, das in ohrenbetäubenden Jubel ausgebrochen sein soll. Alfanos Finale wurde erst bei der zweiten Aufführung gespielt und da auch nur in einer von Toscanini gekürzten Fassung. 2002 wagte sich auch Luciano Berio an einen alternativen Schluss.

Puccini konnte seine Oper zwar nicht beenden, dennoch hat er unvergessliche Arien geschrieben, darunter „Nessun dorma“, „Tu che di gel sei cinta“ und „In questa reggia“.

Die wichtigsten Fakten zu Puccinis Turandot

Oper in drei Akten

Uraufführung: 25. April 1926, Scala Mailand

Spieldauer: ca. 2:30h

Personen

  • Turandot, Chinesische Prinzessin (Sopran)
  • Altoum, Kaiser von China (Tenor)
  • Timur, entthronter Tatarenkönig (Bass)
  • Calàf, sein Sohn, Prinz (Tenor)
  • Liù, Sklavin (Sopran)
  • Ping, Kanzler (Bariton)
  • Pang, Marschall (Tenor)
  • Pong, Küchenmeister (Tenor)
  • Ein Mandarin (Bariton)
  • Prinz von Persien (Tenor)
  • Henker (stumme Rolle)
  • Wachen, Gehilfen des Henkers, Knaben, Priester, Mandarine, die acht Weisen, Kammerfrauen, Diener, Soldaten, die Menge etc. (Chor)

Termine

Artikel

Präludium

Buchcover: Präludien für das Publikum von Mathias HusmannDramma lirico (UA Milano 1926)

Der Orchestergraben wird zur archäologischen Waffenkammer – allein zwölf bronzene chinesische Gongs glänzen in der Tiefe! Das gewaltige Kopfthema wirkt wie ein riesiges chinesisches Schriftzeichen – vier breite Pinselstriche, dann ein zuckender Abschluß: ein Todesurteil – das wievielte? Der Prinz von Persien konnte die Rätsel der Turandot nicht lösen – alles schreit nach dem Henker. Auch Prinz Kalaf ist ihr schon verfallen – sein alter Vater Timur und dessen junge Dienerin Liu vermögen ihn nicht davon abzuhalten, den großen Gong zu betätigen: auch er möchte Turandots Gemahl werden. Prinzessin Turandot geht es nicht um den rätselkundigsten Bewerber, sie will jeden umbringen, um eine mißhandelte Urahnin zu rächen. Sie ist der pure Haß, Kalaf die pure Liebe. Er löst ihre Rätsel, deren drittes ihr Name, sie selber ist. Als sie sich dennoch weigert, ihn zum Gemahl zu nehmen, gibt er ihr seinerseits ein Rätsel auf: errät sie bis zum Morgen seinen Namen, darf sie über ihn verfügen. Keiner schlafe! Ganz China muß den Namen suchen. Als man den alten Timur foltern will, lenkt Liu von ihm ab: sie allein wüßte den Namen. Dann ersticht sie sich. Kalaf selbst verrät Turandot seinen Namen und gibt sich ganz in ihre Hand. Da verkündet sie dem Volk: er heißt Gemahl! Die Oper hat drei Ebenen: die dramatischen Volksszenen, die grotesk-scherzohaften Szenen der drei Minister Ping, Pang, Pong, und die lyrischen Szenen der Liu. Ein chinesisches Märchen aus ferner Vergangenheit wird durch Puccinis glühendes Melos hautnahe Gegenwart – die kompositorischen Mittel weisen in die Zukunft: atonale Motive, bitonale Ostinati und wirbelnde Taktwechsel. Puccini starb vor Beendigung der Partitur. In der Premiere brach Toscanini vor dem Schlußduett ab, erst seit der zweiten Aufführung wird die Oper mit der Ergänzung von Franco Alfano gespielt. Mit der Prinzessin Turandot schuf Puccini eine eisige Kunstfigur, sein Herz schlug für die Dienerin Liu – auch Prinz Kalaf hatte einst ihr zugelächelt, vielleicht ist sein dramma lirico eigentlich ein Requiem für Liu… (Mathias Husmann)
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