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Verdis „Maskenball“ in Frankfurt

In Leder und Latex die Peitsche knallen lassen

Die Kammeroper Frankfurt sucht die lustvolle Provokation in Verdis „Maskenball“

vonStefan Schickhaus,

Die Schwerter sind zu groß, die Perücken zu schrill, die Leder-Miniröcke zu kurz – ja, vor allem letzteres ist geradezu ein Alleinstellungsmerkmal für die Bühnenoptik der Kammeroper Frankfurt. Leder, Latex, Peitsche, Haut – wenn diese private Operntruppe im sommerlichen Frankfurt Verdi, Donizetti oder Mozart spielt, sind Überspitzung und Überreizung die traditionellen Werkzeuge. Nicht die tiefernsten Provokationen der städtischen Bühnen, die im Sommer schließen und dem familiären, 1982 vom Regisseur Rainer Pudenz gegründeten freien Ensemble das Operspielen überlassen. Nein, die Kammeroper Frankfurt überspannt den Bogen stets im Sinne einer Farce, bunt und turbulent. „Ich mag Intimität“, sagt Pudenz, bekennt aber an anderer Stelle auch: „Clowns sind mir sehr nahe.“

Keine Lustfeindlichkeit in Frankfurt

Clowneske Überzeichnung mit intimer Note, sinnlich bis schlüpfrig, professionell, aber handgemacht – so präsentieren sich die Opern, die alljährlich unter dem freien Himmel des Frankfurter Palmengartens aufgeführt werden. Das Publikum weiß, dass da der steife Kragen zu Hause bleiben kann. Und die Kühlbox mitkommen darf, gerne ein Perlwein-Getränk darin, Lustfeindlichkeit kennt man hier schließlich nicht.

Rainer Pudenz
Regisseur Rainer Pudenz © Martin Grothmaak

Den Opernführer muss auch niemand studieren davor, denn die Kammeroper spielt alles auf deutsch, hierin ganz der Tradition Walter Felsensteins verpflichtet. „Deutsch ist große Klasse, diese Sprache kann Poesie!“, sagt Rainer Pudenz. Es gehe ihm dabei nicht nur um das Publikum, vielmehr auch um den einzelnen Sänger: „Der sollte schon genau wissen, was er gerade singt, bis in Verästelungen der einzelnen Worte hinein. Das Singen in der Originalsprache transportiert im Grunde ja weniger vom Original, ihm fehlt eine Dimension: das Verstehen.“

Verdis „Maskenball“: Ein Fest für Rainer Pudenz

Anders als bei den kleinen Winterproduktionen der Kammeroper, die sich wie eine Wanderdüne durch die Mainmetropole bewegt und ihre Anhängerschaft an ungewöhnliche Spielorte lotst – etwa in die Kirche der Unitarischen Freien Religionsgemeinde, eine Freimaurer-Loge, eine aufgelassene Mineralölfabrik – ist die große Sommer-Oper eine feste Konstante. Zurzeit setzt Pudenz dabei auf Giuseppe Verdi, denn er weiß: „Das Publikum goutiert heute eher Ernsteres und ist weniger experimentierfreudig als vor zwei Jahrzehnten.“

Nach dem „Macbeth” mit dem übergroßen Schwert im vergangenen Jahr arbeitet die Kammeroper nun am „Maskenball”, in einer neuen Übersetzung von Thomas Peter, die sei „klar, direkt, ohne Schwulst und Nebel, das passt zu Verdi.“ Diese Verdi-Oper, so Rainer Pudenz „ist genau Kammeroper für uns, weil wir der Intimität den Raum geben, den sie in unser aller Leben hat: den größten nämlich.“ Und sie ist auch deshalb ideal gewählt, weil ein Page namens Oscar darin eine (Hosen-)Rolle spielt – und Oscar ist eine Figur so ganz nach dem Gusto des Regisseurs: sexuell ambivalent, schräg, brillant, Projektionsfläche für alles mögliche. „Das Kerlchen ist soziologisch Titan“, Rainer Pudenz reibt sich schon die Hände.

Hinter den Kulissen der Kammeroper Frankfurt – eine Dokumentation:

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concerti-Tipp:

Verdi: Ein Maskenball
Kammeroper Frankfurt
Datum: Sa. 15.7. (Premiere), Fr. 21., Sa. 22., So. 23., Mi. 26., Fr. 28., Sa. 29., So. 30.7. und Mi. 2., Fr. 4., Sa. 5., Mi. 9., Fr. 11., Sa. 12. 8. jeweils 19.30 Uhr
Ort: Orchestermuschel/Musikpavillon im Palmengarten

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