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Porträt Maria José Siri

Das Vulkan-Temperament

Uruguays Sopranstern Maria José Siri mischt meinungsstark und mutig die verkrustete Opernszene ihrer Wahlheimat Italien auf

vonPeter Krause,

Die Wahlitalienerin aus Uruguay ist ein Sopran-Vulkan. Das merkt der Gesprächspartner nicht erst in der Vorstellung von Bellinis „Norma“ am Tag nach dem Interview, sondern sofort, als Maria José Siri bei einem Glas „bitte unbedingt kalten“ Biers von ihrer Leidenschaft für die Oper spricht – jener Kunstform, die es just im Land ihrer Erfindung derzeit so schwer hat. Die Kürzungen im Kulturetat sprechen Bände: „Der Büffelmozzarella gilt hier als ganz hohes Kulturgut, die Oper nicht. Natürlich liebe ich exzellentes Essen, aber muss denn nicht auch die italienische Oper als ein Erbe der Menschheit erkannt und geschätzt werden? Überall in der Welt wird diese Kunst schließlich reproduziert.“ Sie und ihre Kollegen müssten wirklich etwas unternehmen, sie habe schon eine Petition gestartet. „In diesem Land bezahlen viele Theater jahrelang die Gage nicht, weil sie nahe an der Pleite stehen. Aber es geht nicht nur um Investitionen in die Institutionen, wir müssen die Opernhäuser zudem engagiert für die Jugend öffnen, sonst sind die Theater hier in 20 Jahren komplett leer.“ Als neues Publikum solle man zudem an die Millionen von Touristen denken, die Jahr für Jahr in den Stiefelstaat strömten: „Wer auf seiner Kreuzfahrt in Neapel ankommt, muss doch unbedingt auch ins wunderschöne Teatro San Carlo gelockt werden.“

Wie sich das Traditionsland der Oper verändern muss

Maria José SiriMeinungsstark und mutig mischt sich die Sängerin nicht nur politisch ein und scherzt, dass nun hoffentlich nicht all ihre Verträge gekündigt würden, sie bezieht auch in ästhetischen Fragen klar Stellung. Denn der verbreiteten szenischen Statik im Traditionsland der Oper im Gegensatz zu den oft gewagten Regieexperimenten in Deutschland kann die engagierte Darstellerin wenig abgewinnen: „Oper muss für mich auch Schauspiel sein, wir singen zwar anstatt zu sprechen, können deshalb aber nicht einfach unbeweglich an der Rampe stehen. Wir musizieren doch nicht nur mit unseren Stimmbändern, sondern auch mit unserem Herzen und unserem Körper. Zudem sind die Erwartungen in einer visuell geprägten Welt einfach zu hoch. Ich bin bereit, auch physisch bis an die eigenen Grenzen zu gehen, ich schätze es, herausgefordert zu werden.“ Schließlich will sie sich nicht auf Erfolgen ausruhen, sondern strebt ihr stetiges künstlerisches Wachstum an.

Schicksalhafte Begegnung

Ein entscheidender Wendepunkt ihrer Entwicklung war die Begegnung mit Ileana Cotrubas, der Sopranlegende aus Rumänien. Denn nachdem Siri sich im Studium als lyrischer Sopran mit Koloratur zunächst den Partien der Lucia, der Sonnambula und der Königin der Nacht zugewandt hat, die sie freilich nie auf der Bühne sang, wurde ihr von einer der ganz Großen des Sopranfachs angeboten, sie beim Wechsel des Repertoires zu unterstützen: „Ich hatte zunächst meine Zweifel, habe mich aber der berühmten Sängerin anvertraut. Das war ein Prozess von etwa einem Jahr, in dem ich Verdis „Il Trovatore“ und „Aida“ oder Puccinis „Tosca“ studiert habe. Die Cotrubas empfahl mir, als lyrischer Sopran langsam hineinzuwachsen in diese dramatischeren Partien.“ Dieses Vorgehen zahlt sich heute aus. Siri sang eine Donna Elvira in der Arena von Verona, debütierte als Norma beim Festival in Macerata und bleibt daneben ihren internationalen Paraderollen treu – das sind just die von der Cotrubas anempfohlenen Partien der Aida und der Tosca. Die Möglichkeiten ihrer expansions- und wandlungsfähigen Stimme sind enorm. Im Sommer wurde dies wunderbar deutlich, als sie sich – von Verdi und Puccini aus gleichsam zurückgehend – erstmals dem Zentralgestirn des Belcanto annäherte, der Norma von Vincenzo Bellini. Da spürte sie jeder Nuance der Worte mit ausgeprägtem Bewusstsein für Zwischentöne und Farben nach, ihr Konzept des Schöngesangs folgte ganz dem Desiderat der Wahrheit des Ausdrucks.

Maria José Siri

 

Ein veristisches Temperament auf Belcanto-Pfaden

Ihr Primadonnenton klang ausladend, majestätisch und vibratosatt, er wurde begleitet von einer hoch konzentrierten Mimik, einer auch dezidiert körperlichen Durchdringung der Figur. „Ich wollte meine Norma auf die Bühne bringen, mit meinen vokalen Qualitäten, habe mir deshalb in der Vorbereitung überhaupt keine Aufnahmen von Kolleginnen angehört.“ In der Tat singen heute meist leichte Stimmen die Druidenpriesterin, gilt es hier doch, das Belcanto-Ideal der Schönheit des Klangs umzusetzen. „Generell ist mir aber beim Singen auch das Wort wichtig. Gelegentlich opfern Sängerinnen die Bedeutung des Wortes für den schönen Klang.“ Das Schwierige und ganz Wichtige sei für sie, beide Dinge unter einen Hut zu bringen. Wenn La Siri also den Belcanto mit ihrer reichen Verdi-Erfahrung angeht, bringt sie ein stimmliches Gewicht ein, das im Zeitalter lyrisch leichter und auf das Fach spezialisierter Besetzungen durchaus ungewohnt ist. Lachend gibt sie zu, „ein sehr veristisches Temperament“ zu besitzen, das sie eben bereits in ihren leidenschaftlich vorgetragenen Überlegungen zum Singen so charmant verströmt.

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