Startseite » Oper » Opern-Kritiken » Königliche Koloraturketten

Opern-Kritik: Deutsche Oper am Rhein – Maria Stuarda

Königliche Koloraturketten

(Düsseldorf, 19.12.2018) Adela Zaharia und Maria Kataeva verstehen sich traumwandlerisch auf Donizettis Belcanto.

vonWolfgang Wagner,

Guy Joostens Inszenierung in der von Roel Van Berckelaer gestalteten Bühne war bereits im Dezember 2017 in Duisburg über die Bühne gegangen. Nun hatte die komplett neu besetzte Produktion ihre Premiere an der Deutschen Oper am Rhein, bei der das Haus mit zwei großartigen Sängerinnen in den Hauptrollen aufwartete. Die großen Leistungen von Adela Zaharia als Maria Stuarda und Maria Kataeva als Elisabetta I. sorgten dafür, dass der Abend ganz im Zeichen des Belcanto stand. Der 1835 uraufgeführten Tragedia lirica über die königlichen Rivalinnen, nach dem Theaterstück von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1800, war zu Donizettis Lebzeiten kein nennenswerter Erfolg beschieden. Heute wird sie zu seinen wichtigsten Schöpfungen gezählt.

Die gestohlene Krone

Szenenbild aus "Maria Stuarda"
Maria Stuarda/Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf: Richard Šveda (Lord Guglielmo Cecil), Adela Zaharia (Maria Stuarda), Maria Kataeva (Elisabetta I), Bogdan Taloş (Giorgio Talbot), Karina Repova (Anna Kennedy) und Shalva Mukeria (Roberto, Graf von Leicester) © Hans Jörg Michel

Für Duisburg und Düsseldorf hat Van Berckelaer für alle drei Akte ein einheitliches Bühnenbild geschaffen. Das Halb einer zweistöckigen Rotunde fungiert unter anderem als abstrakte Schlossgalerie, konkreter als Verließ der Maria Stuarda im optischen Gewand eines modernen Gefängnisses. Ein Kontrast zu den historisierenden Kostümen von Eva Krämer. Entscheidender Regie-Kniff war, den Diebstahl der englischen Krone, der die ganze Zeit drohend im Raum hängt, tatsächlichen ausführen zu lassen.

Als Maria und Elisabetta im Park von Schloss Fotheringhay aufeinandertreffen und die Gefangene von ihrer Cousine gedemütigt wird, nimmt sie ihr in einem Wutausbruch die Krone von ihrem Haupt und setzt sie sich selbst auf. Das anschließende Todesurteil ist vor diesem Hintergrund von zwingender Logik, funktioniert aber nicht bruchlos, weil in der Folge natürlich keine Rede mehr davon ist. Die Schlussszene, in der Maria schließlich zur Hinrichtung schreitet, leuchtet Stefan Bolliger mit einem roten Hintergrund aus und hebt so ihr Blutopfer, mit dem sie Frieden für England stiften will, stark hervor.

Ein Rollendebüt mit Ausrufezeichen: Adela Zaharia zeichnet ein vollendetes Psychogramm der Maria Stuarda

Adela Zaharias Rollendebüt hatte die Opernwelt entgegengefiebert. Seit sie im Sommer 2017 den Operalia Wettbewerb gewann und dann im Dezember 2017 für die erkrankte Diana Damrau an der Bayerischen Staatsoper als Lucia di Lammermoor einsprang, hatte ihre Karriere stark an Fahrt aufgenommen. Die Rolle der Maria Stuarda ist wahrhaftig eine, in der ein Koloratursopran sein Können zeigen oder scheitern kann. Denn Donizetti zeigt hier, dass er seine Kunst des Belcanto keineswegs auf die zentralen Passagen konzentriert, sondern über seine Koloraturketten ein vollständiges Psychogramm zeichnet, wirklich alle Facetten eines Charakters darzustellen weiß. Eine Aufgabe, die Zaharia dankbar annahm.

Szenenbild aus "Maria Stuarda"
Maria Stuarda/Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf: Adela Zaharia (Maria Stuarda) und der Chor der Deutschen Oper am Rhein © Hans Jörg Michel

Sie ist der Partie so voll und ganz gewachsen, dass sie sie an jeder Stelle ganz bewusst und nuancenreich gestaltet. Ihre sanfte Seite zeigt Zaharia in weich und geschmeidig gesungenen Bögen, die die beinahe kindlich-naive Freude verdeutlichen, die Maria empfindet, als sie den Park betreten und nach jahrelanger Gefangenschaft für eine Weile die lebendige Natur genießen darf. Aber auch die jähzornig-stolze Maria, die die Beleidigungen Elisabettas nicht hinnehmen kann, gelingt Zaharia mit scheinbar mühelos gesetzten Spitzentönen. So wirkt ihre Maria selbst, wenn sie in Rage ist, noch sehr menschlich. Im dritten Akt berührt sie mit Gesang, der das Gefühl völliger Verlassenheit im Kerker erfahrbar macht, und überwältigt schließlich mit Marias verklärter Entschlossenheit, den Henkertod hinzunehmen.

Begnadete Sängerdarstellerin: Maria Kataeva als Elisabetta

Der Opernabend war deshalb ein so glückliches Erlebnis, weil Maria Kataeva eine ebenbürtige Partnerin war. Die Elisabetta gibt sie zunächst mit schlanker Stimme als starke, kühle Erscheinung. Eine Frau, die voll und ganz in der Politik aufgegangen zu sein scheint. Doch als sie dann von ihrer Liebe zu Leicester singt, nimmt sie ihre Krone ab. Kataeva intoniert hier sehr dramatisch die echten Gefühle einer Frau, die mächtig, aber eben deshalb unfrei ist. Beim Streit mit Maria zeigt die begnadete Sängerdarstellerin Kataeva, dass Elisabetta sich in ihre Freude an der eigenen Grausamkeit lustvoll hineinsteigert. Und in der späten Szene, in der sie auf Drängen Cecils (Richard Šveda) das Todesurteil unterschreibt, ist jeder einzelne Finger Teil ihrer schauspielerischen Gestik.

Szenenbild aus "Maria Stuarda"
Maria Stuarda/Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf: Maria Kataeva (Elisabetta I) und Adela Zaharia (Maria Stuarda) © Hans Jörg Michel

Tenorschmelz-Genuss

Der international erfolgreiche Georgier Shalva Mukeria gab den von beiden Königinnen geliebten Roberto Conte di Leicester. Donizetti hat für diese Figur im Vergleich zu den beiden Frauen verblüffend schöne, jedoch seichte Melodien geschrieben – offenbar wollte er zum Ausdruck bringen, dass die Last von Politik und Herrschaft von Elisabetta und Maria getragen werden muss. Mukeria hat den Leicester den Intentionen des Komponisten folgend mit weicher, heller Stimme porträtiert. Ein wahrer Genuss an Tenorschmelz.

Szenenbild aus "Maria Stuarda"
Maria Stuarda/Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Düsseldorf: Shalva Mukeria (Roberto, Graf von Leicester) und Adela Zaharia (Maria Stuarda) © Hans Jörg Michel

Die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Antonio Fogliani hätten sich an einigen wenigen Stellen zu Gunsten der Sänger etwas zurückhalten können, doch auch sie überzeugten sehr mit einem transparenten Klangbild, das auf Realismus statt auf Opernkitsch zielte. So wurde Hörgenuss auf allen Ebenen geboten – und das wussten die Düsseldorfer sehr zu schätzen.

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf
Donizetti: Maria Stuarda

Antonino Fogliani (Leitung), Guy Joosten (Regie), Roel Van Berckelaer (Bühne), Eva Krämer (Kostüme), Adela Zaharia, Maria Kataeva, Karina Repova, Shalva Mukeria, Richard Šveda, Bogdan Talos

Erhalten Sie einen kurzen Einblick in die Produktion „Maria Stuarda“:

You are currently viewing a placeholder content from YouTube. To access the actual content, click the button below. Please note that doing so will share data with third-party providers.

More Information

Auch interessant

Rezensionen

  • Asya Fateyeva steht mit Hingabe für die Vielseitigkeit ihres Instruments ein.
    Interview Asya Fateyeva

    „Es darf hässlich, es darf provokant sein“

    Asya Fateyeva, Porträtkünstlerin beim Schleswig-Holstein Musik Festival, spricht über den Reiz und die Herausforderungen des für die Klassik so ungewöhnlichen Saxofons.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!