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Opern-Kritik: Deutsche Oper am Rhein – Die Walküre

Regie-Rätsel

(Düsseldorf, 28.1.2018) Altmeister Dietrich Hilsdorf beschert den Wagnerianern attraktive, doch durchgängig schwer verdauliche Irritationen

vonAndreas Falentin,

Das „Rheingold“ spielte bei Dietrich Hilsdorf eindeutig im Theater. Das Portal mit den vielen bunten Lampions hat es bis in die „Walküre“ geschafft, flackert aber nur einmal kurz auf, kurz bevor Wotan Brünnhilde zur Rechenschaft zieht. Ansonsten sind wir in einer nicht zu fernen, dystopisch gedachten Zukunft. Dieter Richter hat einen, wie üblich bei ihm die Sänger unterstützenden, alten Industrieraum hingestellt, trutzig, beschädigt, aber mit Resten bürgerlicher Heimeligkeit, einem rührend alten Ofen und einem dunklen Echtholztisch mit gedrechselten Beinen. Dieser Raum ist Hundings Hütte und Walhall, Schlachtfeld und Brünnhildenfelsen. Die Orte überlagern sich und laufen ineinander.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf © Hans Jörg Michel

Familiendrama bei den Wotans nebst schmunzelnden Anspielungen an Wagner als Filmmusik

Die Aktanfänge gelingen spannend. Während des Vorspiels kommt ein frustrierter Hunding mit Gewehr herein und versucht Sieglinde Zärtlichkeiten abzuzwingen. So grundiert ihr Unglück bereits erfahrbar die erste Begegnung mit Siegmund. Zu Beginn des zweiten Aktes sitzt Wotan inmitten seiner Kinder. Der entscheidende Streit mit Fricka wird von Sieglinde, Siegmund und Hunding unmittelbar miterlebt und gerät so zum echten Familiendrama. Und im dritten Akt ist ein Hubschrauber in den Raum gestürzt.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf © Hans Jörg Michel

Wir sollen schmunzelnd an Coppolas „Apocalypse now“ denken, wo der Walkürenritt als Filmmusik eingesetzt wird, den Hilsdorf wunderbar genau inszeniert, wobei er sich enger als viele seiner Kollegen an Wagners Regieanweisungen hält, sodass wir das musikalisch hervorragend abgestimmte Oktett einmal als einzelne Charaktere wahrnehmen. Am Ende schließt Wotan alle Türen ab, setzt Brünnhilde auf einen Stuhl – und geht dann einfach zur Seite ab. Im Theater ist dies ein Gesetzesbruch, etwas, das einem Dietrich Hilsdorf, einem der anerkannt besten Handwerker der Regiezunft, eigentlich nicht unterläuft.

Verblüffende Ironiefreiheit

Und der Schluss ist in dieser Hinsicht kein Einzelfall. Wotans großer Monolog, die erwähnten Aktanfänge und weite Strecken des Schlussaktes, sind genau gearbeitet, man hört und sieht gebannt zu, bekommt viele Nuancen von Wagners Dialog- und Handlungsführung mit, die sonst oft untergehen. Und doch muss am selben Abend Siegmund ungelenk mit dem Schwert herumposieren wie ein Fleisch gewordenes Tenor-Klischee, Sieglinde muss sich in ihrem Auftritt im zweiten Akt ziellos an der Rampe hin- und her bewegen, bis sie dann in einer Ecke dekorativ zusammensinkt, und der an sich originelle Kleidertausch zwischen den verliebten Geschwistern am Ende des ersten Aktes läuft geradezu erschüttert zivilisiert ab.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf © Hans Jörg Michel

Der Höhepunkt in dieser Hinsicht ist der Schluss des zweiten Aktes. Erst braucht Wotan endlos, um seinen Speer aus dem Tisch zu pulen, dann muss Brünnhilde in einem dafür absolut nicht gemachten Kostüm unter diesen kriechen, um die Schwerttrümmer einzusammeln, und schließlich muss sie gemessen unter Wotans Blicken durch den Raum schreiten, um dann Sieglinde anzusingen: „Zu Ross, dass ich dich rette!“ Und all das schnurrt ab, wird nicht ausgestellt, nicht ansatzweise ironisiert.

Was will uns der Regisseur nur sagen?

Noch einmal: so etwas unterläuft diesem Regisseur nicht. Er will etwas damit. Bloß was? Will er uns zeigen, dass ihn Wagner, abgesehen von gewissen Momenten, einfach nicht interessiert? Oder dass es ihm unmöglich erscheint, Wagners Monstertragödien auf der Bühne neu zu erfinden, da sie im Sumpf der Tradition feststecken? Dass uns seine Figuren heute gleichzeitig so extrem nah und so fern sind, dass nur die Musik die Führungsrolle übernehmen kann? Die ist bei Axel Kober und den Düsseldorfer Symphonikern in soliden Händen. Nach etwas lendenlahmem Beginn steigern sich Orchester und GMD zu spannungsvollerem, abgesehen von wenigen wackligen Bläsereinsätzen, klangprächtigem Spiel. Und gesungen wird erstklassig.

Szenenbild aus "Die Walküre"
Die Walküre/Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf © Hans Jörg Michel

Der am Ende leicht erschöpft klingende, aber sehr ausstrahlungsstarke und glaubwürdige Wotan von Simon Neal, die jugendlich-kraftvolle, entspannt gesungene Brünnhilde der über 60-jährigen Linda Watson und vor allem die frische, leuchtende und überwältigend wortverständliche Sieglinde von Elisabet Strid bleiben unbedingt im Gedächtnis. Aber die Inszenierung des, hoffentlich nicht einfach alt gewordenen, Altmeisters Hilsdorf ist samt der stimmigen, aber scheinbar absichtsvoll geheimnislosen Kostüme von Renate Schmitzer, vor allem eins: eine oft sehr attraktive, durchgängig schwer verdauliche Irritation. Im April folgt „Siegfried“.

Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf
Wagner: Die Walküre

Axel Kober (Leitung), Dietrich Hilsdorf (Regie), Dieter Richter (Bühne), Renate Schmitzer (Kostüme), Corby Welch (Siegmund), Sami Luttinen (Hunding), Simon Neal (Wotan), Elisabet Strid (Sieglinde), Linda Watson (Brünnhilde), Renée Morloc (Fricka), Josefine Weber, Jessica Stavros, Katja Levin, Katarzyna Kuncio, Zuzana Sveda, Maria Hilmes, Katharina von Bülow, Evelyn Krahe (Walküren), Düsseldorfer Symphoniker

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