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Porträt Il pomo d’oro

Ohne Rast

Das Alte Musik-Ensemble Il pomo d’oro scheint keine Pausen vom Konzert- und Aufnahmebetrieb zu kennen – zum großen Glück für alle Musikfreunde.

Wien am Kaiserhof im Jahre 1666: Kaiser Leopold I. heiratet Margarita Teresa von Spanien. An zwei Tagen und 24 Orten wird gefeiert, Quellen sprechen von 3 000 Statisten, Hunderten von tanzenden Pferden, auch Elefanten kamen zum Einsatz. Dazu 200 Balletttänzer, 50 Protagonisten auf der Bühne, Windmaschinen und alles, was die barocke Fantasie und Verschwendungssucht hergab. Zum krönenden Abschluss ließen 300 Raketen den Wahlspruch der Habsburger, A.E.I.O.U., („Alles Erdreich ist Österreich untertan“) als Schriftzug am Himmel aufleuchten. Die Musik dazu lieferte Antonio Cesti mit seiner Prunkoper „Il pomo d’oro“.

Ob Riccardo Minasi ein solches Szenario vorschwebte, als er 2012 seinem neugegründeten Ensemble den Namen Il pomo d’oro gab, ist nicht verbürgt. Verbürgt ist aber sein strenger Ehrgeiz und sein sehr hoher Anspruch an die Musiker, die alle seinerzeit aus anderen Ensembles kamen. Minasi selbst hatte bei Il Giardino Armonico als neunzehnjähriger Konzertmeister angeheuert, einem Laboratorium, wie er sich erinnert, „wo pausenlos experimentiert wurde“.

Der Einstieg von Il pomo d’oro in den Musikbetrieb war glänzend. Bereits für die erste Einspielung, Vivaldis „L’imperatore“, gab es Preise. Noch im Gründungsjahr folgten drei Alben mit den Countertenören Max Emanuel Cenčić, Franco ­Fagioli und Xavier Sabata sowie eines mit venezianischer Barkarole, im Jahr darauf dann die erste Händel-Oper „Tamerlano“. Auch nahm das Ensemble etliche Vivaldi-Violinkonzerte auf und veröffentlichte eine CD zum Gondel-Buch von Donna Leon, die das Orchester von Beginn an finanziell unterstützte. Dennoch zogen dunkle Wolken über Minasi und seinem Ensemble auf, denn nicht jeder seiner Musiker war bereit, diesem rasanten Arbeitstempo zu folgen.

Er sei eben ein Fanatiker, räumte Minasi in einem Interview ein, ein Perfektionist, der mit Metronom und dem gefürchteten Intonations-Stimmgerät (im Musiker-Volksmund „il maiale“, „das Schwein“ genannt) ans Werk und wohl auch auf den Nerv manches Musikers ging. 2015 traf Minasi in Moskau den jungen Cembalisten Maxim Emelyanychev und lud ihn ein, mit Il pomo d’oro zu musizieren. Emelyanychev, der als Cembalist allerlei Exzesse unter dem mystischen Proben­fanatiker Teodor Currentzis im fernen Perm erlebt hatte, konnte nichts mehr erschüttern. 2016 übernahm er die Leitung von Il pomo d’oro. Wie die Faust aufs Auge schien da zur Stimmung im Orchester der Titel des ersten Albums „In War And Peace“ zu passen, das Emelyanychev 2017 mit Joyce DiDonato einspielte, auch wenn es da natürlich um Geistvolleres ging. Ebenso beeindruckend war auch „Eden“, die zweite Produktion mit DiDonato, ein flammendes Plädoyer für die Schönheit und Fragilität unseres Planeten mit Werken von Händel bis Charles Ives.

Alte Musik-Aktivist mit Beatles-Frisur

Gemeinhin kennt man russische Dirigenten – zumal der älteren Garde – als sich selbst zelebrierende Meister des Triumphalen und Pompösen mit Hang zu traditionellen sinfonischen Schlacht­rössern ihrer Heimat inklusive manchem nationalistischen Schmachtfetzen, wie nur ein Tschaikowsky ihn komponieren konnte. Emelyanychev aber ist anders, nicht nur wegen seiner jungenhaften Ausstrahlung, seiner Beatles-Frisur oder weil er ohne Taktstock dirigiert. Als ehemaliger Knabenchorsänger liebt er die Alte Musik samt historischer Aufführungspraxis und sieht sich in seiner Heimat, die bisher damit nicht viel anfangen konnte, als einen „Alte-Musik-Aktivisten“. Als Sohn eines Trompeters und einer Chorsängerin aus Nischni Nowgorod habe er bereits als Teenager sämtliche Bücher und Produktionen von Nikolaus Harnoncourt aufgesogen. Das virtuose Spiel auf dem Renaissance-Zink (Cornetto) und dem Cembalo erlernte Emelyanychev noch in seiner Heimatstadt. Anders als Currentzis, der sich gern schwarzgekleidet im Halbdunkel vor thronenden barocken Kerzenleuchtern inszeniert, sieht sich Emelyanychev auf seiner Instagram-Seite als ein Bürger der Renaissance. Mit scheitellosem Pagenkopf und schwarzem Samt­barett erscheint er da, die Digitalkunst macht es möglich.

Album-Tipp:

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