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Opern-Feuilleton: Alberto Franchetti

Besser spät als nie

Einst vergöttert, dann verfemt, schließlich fast vergessen: Es wird höchste Zeit, dass die Opern von Alberto Franchetti wieder auf die Spielpläne kommen.

vonAndré Sperber,

Einen Opernkomponisten aus dem kollektiven Gedächtnis herauszustreichen, ist erschreckend einfach. Führt man seine Werke für einen gewissen Zeitraum nicht mehr auf, entschwindet er dem Kanon und damit scheinbar auch dem allgemeinen rezeptiven Bewusstsein. Bei vielen geschah dies schlichtweg als Folge eines sich wandelnden Zeitgeistes. Etwa bei Peter von Winter oder Heinrich Marschner, die zu Lebzeiten mit ihren Opern in ganz Europa bejubelt wurden, wenig später jedoch weitestgehend in Vergessenheit gerieten. Andere wiederum versuchte man aus niederen politischen und ideologischen Beweggründen ganz gezielt aus der musikalischen Landschaft zu entfernen.

Giuseppe Verdi empfiehlt Alberto Franchetti für einen Kompositionsauftrag

Alberto Franchetti, 1860 in Turin geboren, gilt lange als einer der wichtigsten italienischen Komponisten der Jahrhundertwende, wird als Mitglied der „Giovane Scuola“ (Junge Schule) stets in einem Atemzug mit Leoncavallo, Mascagni und Puccini genannt. Giuseppe Verdi, jahrzehntelanger Allein­beherrscher der italienischen Opernszene, hält große Stücke auf das Talent des jungen Franchetti und empfiehlt ihn für den Kompositionsauftrag einer Oper zur Vierhundertjahr-Feier der Entdeckung Amerikas. Franchetti nimmt an, sein „Cristoforo Colombo“ wird 1892 in Genua erfolgreich uraufgeführt. In jüngerer Zeit holte man das Werk zuletzt 1992, wiederum anlässlich des Amerikajubiläums, in Frankfurt am Main und Miami wieder hervor, ehe es erneut in der Versenkung verschwand.

Erstmals Gehör verschaffte sich Franchetti allerdings schon vier Jahre vor der ­Kolumbus-Oper mit „Asrael“, die erst vor einem Jahr im Rahmen der Reihe „­Fokus ’33“ an der Oper Bonn wiederentdeckt wurde. Das Werk war 1888 Franchettis großer internationaler Durchbruch. Obwohl anfänglich unbegeistert vom gewählten musischen Berufsweg seines Sohnes, war Alberto Franchettis Vater, der wohlhabende Großgrundbesitzer Baron Raimondo Franchetti, am damaligen Ersterfolg sicher nicht ganz unschuldig. Er nämlich kaufte sich als Impresario in das Teatro Municipale in Reggio Emilia ein, brachte den Betrieb auf Vordermann und schuf so die idealen Voraussetzungen für die erfolgreiche Etablierung Albertos in der Opernwelt.

Alberto Franchetti (1860-1942) war neben Leoncavallo, Mascagni und Puccini Mitglied „Giovane Scuola“
Alberto Franchetti (1860-1942) war neben Leoncavallo, Mascagni und Puccini Mitglied „Giovane Scuola“

Ein Wagner-Verehrer fällt in Ungnade

Dass man Alberto Franchetti in späteren Schriften häufig als italienischen Meyerbeer und Wagner-Epigonen betitelte, lag wohl nicht nur an seinem kompositorischen Stil. Denn zeitlebens hegte Franchetti eine gewisse Affinität zu Deutschland, die vermutlich von mehreren Umständen herrührte: Seine Mutter Sara Louise von Rothschild entstammte einer deutschen Bankiersfamilie, er selbst lebte während seiner musikalischen Ausbildung in München und Dresden und war zudem Wagner-Verehrer, fungierte sogar als Vorsitzender der Wagner-Gesellschaft in Bologna. Diese Germanophilie gipfelte 1902 in seiner wohl berühmtesten Oper „Germania“, die von den deutschen Befreiungskriegen gegen Napoleon erzählt. Zuletzt kam das Werk an der Deutschen Oper Berlin auf die Bühne.

Dass ausgerechnet der Schöpfer einer urdeutschen Oper später von dem von ihm so geliebten Land verfemt wird, ist eine schwarzhumorige Ironie des Schicksals. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung verhängten die Nazis 1933 gegen Franchetti zunächst ein Aufführungsverbot, nach Übernahme der „Rassegesetze“ durch Italien im Jahre 1938 wurde die Situation für Franchetti sogar in seinem Heimatland kritisch. Lediglich die Fürsprache Pietro Mascagnis, der Mitglied des Partito Nazio­nale Fascista war, verhinderte Schlimmstes. Sein Schicksal als Künstler war jedoch besiegelt, seine Werke verschwanden lange Zeit gänzlich von der Bildfläche. 1942 stirbt Alberto Franchetti in Viareggio.

Urafführung 82 Jahre später

Der Nachwelt hinterlässt er zehn nachweislich vollendete Bühnenwerke, die alle zu seinen Lebzeiten aufgeführt wurden – bis auf eine. Die Opera comica „­Don Buonaparte“ handelt vom Pfarrer eines kleinen Dorfes, dessen gerade zum Kaiser gekrönter Neffe Napoleon ihm den Kardinalspurpur verleihen will – doch der Pfarrer hat ­andere Pläne. Es ist Franchettis letztes Werk und gelangt nun, 82 Jahre nach seiner Fertigstellung, im Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz zur Uraufführung.

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