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Opern-Feuilleton: Opernfestivals im Sommer

Pilgerfahrt in die Provinz

Wie die sommerlichen Opernfestivals Seebühnen und Schlossruinen beleben und für ein ganz anderes Erlebnis der unmöglichen Kunst sorgen.

vonPeter Krause,

Es ist Sommerpause. Die Opernhäuser schließen ihre Pforten. Die Mitglieder aus Orchestern, Chören und Verwaltungen atmen auf und durch. Endlich mal sechs Wochen ohne den Wahnsinn dieser unmöglichen Kunst. Doch fürs Publikum geht’s nun erst richtig los. Denn jetzt locken die heimlichen Höhepunkte des Opernjahres – nicht mehr in die Stadt- und Staatstheater, sondern an ungewohnte Orte, die erst durch den sanften Sommerwind wach­geküsst werden. Das Jahr über schlummern sie im Dornröschenschlaf: die Scheunen, Seebühnen und Schlossruinen, die antiken Arenen und Amphi­theater, die Open-Air-Spiel­stätten, deren Ambiente und ­Atmosphäre die Oper himmel­wärts hinaushebt aus dem Alltag der Abonnements und dem sonst ziemlich verhetzten Sprung aus der Bürowelt in die musikdramatische Magie der Götter, Königinnen und selbst noch über den Tod hinaus Liebenden.

Zu Richard Wagner nach Bayreuth zu fahren, gleicht eben einer Pilgerfahrt in die Provinz, die es erzwingt, sich wirklich einzulassen auf die Mythen des Meisters und dessen Leitmotive. Es hört und sieht sich anders, wenn wir mit dem Rücken zum Eutiner See auf der Tribüne sitzen, Verdis „Der Maskenball“ erleben – und die waldesgrüne Naturkulisse im Hintergrund mitspielt. Die umgekehrte Perspektive bieten die Bregenzer Festspiele. In diesem Jahr wird Filmregisseur Philipp Stölzl auf der immer imposanten Seebühne ein signifikantes Signet für Verdis „Rigoletto“ erfinden. Auf der Schwäbischen Alb in Heidenheim hingegen wagt Intendant Marcus Bosch, die Ruine von Schloss Hellenstein mal nicht mit einer Top-Ten-Oper zu bespielen. Dem Festivalmotto „Glück“ folgend setzt er vielmehr Tschaikowskys „Pique Dame“ mit dem am Ende auf die falsche Karte setzenden Offizier Hermann aufs Programm. Der Alte Garten des Schweriner Schlosses wiederum wird Kulisse für eines der ersten Qualitäts­musicals sein: In „Anatevka“ wird Gustav Peter Wöhler den Milchmann Tevje mimen.

Seebühne Eutin
Seebühne Eutin

Wer Lieblingskomponisten hat, kommt im Sommer voll auf seine Kosten

Während sich vielerorts angenehm Atmosphärisches und künstlerisch Bedeutendes den Publikumsgeschmack kitzelnd verbünden, steht bei anderen Traditionsfestivals eine Vision im Mittelpunkt. Den Fokus auf nur einen Komponisten zu lenken und dessen Werk mit den bestmöglichen Besetzungen zu interpretieren, heißt Markenbildung. Wagner in Bayreuth, Rossini im italienischen Pesaro oder in Wildbad im Schwarzwald, Puccini im toskanischen Torre del Lago – wer Lieblingskomponisten hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Doch es gibt auch den seltenen Fall, dass ein führendes Opernhaus einfach seine Saison in den Sommer hinein verlängert und die Mitarbeiter erst später in den Urlaub schickt. So locken die Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper mit den Superstars Plácido Domingo in Verdis „La traviata“ und Jonas Kaufmann in Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ sowie einer Neu­produktion von Händels ­„Agrippina“ durch Regisseur Barrie Kosky an die Isar.

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