In der Schweiz ticken die Uhren präzise, die Züge fahren pünktlich – und auch das klassische Konzert- und Theaterleben läuft wie geölt. So verspricht die Spielzeit 2025/26 wieder ein Feuerwerk an Highlights und großen Künstlerpersönlichkeiten. Ob ein Kulturgigant wie das Lucerne Festival, das die Stars der Branche an den Vierwaldstättersee lockt, ein Kammermusikfestival im sonst verschlafenen Alpendorf oder eine gelungene Kombination aus beidem: Die Schweiz ist ein Land der Festivals – und zählt davon womöglich mehr als Berggipfel, Schokoladenmanufakturen oder Käsesorten.
Das bereits gestartete Lucerne Festival eröffnet die junge Saison mit innovativer Bandbreite. Tabea Zimmermann experimentiert mit Musik von Hildegard von Bingen bis Sofia Gubaidulina, Sir Simon Rattle dirigiert Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ mit Clay Hilley und Magdalena Kožená und sorgt für gediegene sinfonische Liedkunst auf Weltniveau.
Künstlerisches Mekka bleibt jedoch Zürich. Die größte Stadt der Schweiz glänzt mit exzellenten Institutionen, einer beeindruckenden Stardichte und Produktionen von europäischem Rang. Am Opernhaus Zürich tritt Matthias Schulz – zuvor Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden – die Nachfolge von Andreas Homoki an und eröffnet die Saison hochkarätig mit Strauss’ „Der Rosenkavalier“. Joana Mallwitz steht am Pult, die vielgefragte Lydia Steier führt Regie. In den Hauptrollen: Diana Damrau, Günther Groissböck, Angela Brower und Bo Skovhus.

Auf dem roten Teppich der Klassik
Das Niveau bleibt über die gesamte Spielzeit hinweg exzellent: Anna Netrebko, Christian Gerhaher, Cecilia Bartoli, Max Emanuel Cenčić und Christof Fischesser sind in Neuproduktionen von Davide Livermore bis Claus Guth zu erleben. Mit dem neuen Festival Zürich Barock, unterstützt vom hauseigenen Barockensemble La Scintilla, widmet sich das Opernhaus der Alten Musik. Neben Händels „Giulio Cesare“ dürfte Jean-Marie Leclairs Rarität „Scylla et Glaucus“ zu den interessantesten Wiederentdeckungen des Jahres zählen.
Auch das Orchester der Oper Zürich setzt in seinen philharmonischen Konzerten Glanzlichter: In einem französisch inspirierten Konzertabend erklingen etwa Debussys „La Mer“, Faurés „Pelléas et Mélisande“, Ravels „Daphnis et Chloé“-Suite Nr. 2 sowie Reinhold Glières Harfenkonzert – mit Anneleen Lenaerts als Solistin.
Die Zürcher Tonhalle setzt gleichermaßen auf Kuriositäten und Sternstunden des Repertoires: Kent Nagano dirigiert Messiaens beispiellose „Turangalîla-Sinfonie“, John Eliot Gardiner zelebriert den Jahreswechsel wiederum klassisch mit Beethovens Neunter. Residenzkünstler der Spielzeit ist der gefeierte Komponist und Pianist Thomas Adès, dessen Werke in zahlreichen Konzerten zu erleben sind.

Am Genfer See zuhause
In der französischsprachigen Schweiz gibt das Grand Théâtre de Genève den Ton an. Von Wagners „Tannhäuser“ bis zu Puccinis „Madama Butterfly“ bietet das Haus große Oper auf Augenhöhe mit Zürich. Spartenübergreifende Projekte – etwa Debussys „Pelléas et Mélisande“ oder Rameaus „Castor et Pollux“ mit dem hauseigenen Ballett – bereichern das Repertoire. Ein Akzent liegt auf George Gershwin: „An American in Paris“ wird als Neuproduktion im Haus und als Filmmusikkonzert an der Uferpromenade gespielt. Rund 40 Zugminuten entfernt, widmet sich wiederum die Opéra de Lausanne dem seltenen französischen Repertoire, etwa mit Massenets „Don Quichotte“ und Offenbachs „Barbe-Bleue“.
Ehrwürdige Jubiläen und Marathons
Sehr ambitionierte Pläne legt Basel vor. Das Sinfonieorchester Basel feiern sein 150-jähriges Bestehen mit Mahlers Zweiter zur Eröffnung und seiner Dritten als Jubiläumskonzert zum Ende der Saison, dirigiert von Markus Poschner. Christian Gerhaher interpretiert die Wunderhornlieder, Julia Fischer hebt mit Werken von Suk und Respighi spätromantische Schätze. In der Theatersparte erlebt György Kurtágs Oper „Fin de partie“ ihre Schweizer Erstaufführung. Christof Loy bringt mit der Zarzuela „El barberillo de Lavapiés“ ein traditionsreiches, im deutschsprachigen Raum jedoch selten gespieltes Genre auf die Bühne.

Nicht nur geografisch hoch hinaus geht es in St. Gallen: Die Festspiele feiern dort 2026 ihre 20. Ausgabe mit Verdis „Aida“, diesmal allerdings im Theater und nicht wie gewohnt Open-Air.
In der Bundesstadt Bern schließlich steht ein Rachmaninow-Marathon an: Pianistin Anna Vinnitskaya interpretiert gemeinsam mit dem Berner Symphonieorchester an zwei Abenden alle vier Klavierkonzerte des russischen Spätromantikers. Für überregionale Aufmerksamkeit sorgt indes die Uraufführung von „L’Agamennone“, mit der Salvatore Sciarrino, der zu den bedeutendsten italienischen Gegenwartskomponisten zählt, das Stadttheater Bern betraut hat.