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Porträt Julius Asal

Die eigene Sprache finden

Pianist Julius Asal erhebt die Improvisation zur Lebensphilosophie – und sprüht geradezu vor Ideen.

vonPatrick Erb,

Für Julius Asal ist Improvisation die natürlichste Form des Musizierens. „Ich fühle mich dabei zu Hause, fast wie ein Fisch im Wasser“, sagt der in Bad Homburg geborene Pianist über jene Kunst, die ihn seit seinen frühesten Kindertagen begleitet. Seine Eltern sind beide Musiker, der Weg ans Klavier war daher von Beginn an intuitiv: geprägt von kindlicher Neugier, vom Spielen nach Gehör, von spontaner Inspiration. Heute ist das Improvisieren für Asal ein belebender Nervenkitzel, ein Risiko, das er bewusst sucht.

Dies ist für ihn nicht Selbstzweck, sondern Möglichkeit, Neues mit Altem zu verbinden und zwischen den Werken Türen zu öffnen. Von den schlichten „Transitions“ seines Debüt-Albums „Scriabin – Scarlatti“ bei der Deutschen Grammophon bis zu den „Cascades“ in den „Siena Tapes“, die Ravels Musik auf spielerische Weise fortspinnen, ist Asals Stil in Bewegung. „Wichtig ist, den großen Meistern gerecht zu werden und ihre Werke in die Gegenwart zu übertragen, ohne in krampfhaften Aktionismus zu verfallen. Mir geht es darum, meine eigene Sprache zwischen den Noten zu finden und die heutige Realität einzubeziehen – das, was im Moment geschieht, was sich von einem Tag auf den anderen verändert.“

Mehr innerer Ausdruck als ausgereifte Komposition

Die Resultate sind wohlklingende Farbcharaktere. Mehr innerer Ausdruck als ausgereifte Kompositionen. Ob er diesen Weg weiter verfolgt, ist offen. Julius Asal probiert aus, wägt ab, verwirft viele Ideen wieder. Programmgestaltung nimmt enorm viel Raum in seinem Denken ein. Über die „20 000 unausgereiften Ideen“ zu reflektieren, wie er das nennt, sei erfüllend. So wurden die „Siena Tapes“, ursprünglich als Hommage an Ravel gedacht, bald zu etwas anderem: zu einem sehr persönlichen Projekt. Haben seine irisierenden Klangkaskaden nicht den musikalischen Esprit, sich auch eigenständig behaupten zu können – ohne Brücke über Ravels „Jeux d’eau“, das er mit luzider Eleganz aufleuchten lässt? Zumindest denkbar für den 28-Jährigen, der selbst ein unerwartetes Glockenläuten einer Kirche spontan in einen thematischen Nukleus verwandelt.

Asal liebt Ambivalenz, das Ungewisse, die gestalterische Freiheit, die daraus erwächst. „Es fasziniert mich, wenn nicht alles erklärbar ist.“ Das nebulöse Verhältnis zwischen Werk und Improvisation ist für ihn kein kokettes Spiel mit der Dunkelheit, sondern Ausdruck einer Haltung. Diese sei notwendig, damit Helligkeit erst einen Sinn hat. „Ich will keine rein düsteren Werke schaffen, sondern Räume, in denen Gegensätze nebeneinander existieren.“

Von Eldar Nebolsin lernte er, sich selbst zuzuhören

Dieses Verständnis von Authentizität ist auch das Ergebnis zahlreicher Begegnungen. Menahem Pressler, Alfred Brendel, Gidon Kremer – sie alle haben Spuren hinterlassen. Besonders prägend aber war Eldar Nebolsin, sein langjähriger Professor an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin. Von ihm lernte Asal, „dem verklingenden Ton zuzuhören, also sich selbst zuzuhören“. Die Begegnungen mit András Schiff, bei dem er bis 2024 an der Kronberg Academy studierte, zeichneten sich durch klare Ideale aus – musikalisch ebenso wie gesellschaftlich. Und Gidon Kremer beeindruckt ihn bis heute mit seiner unvoreingenommenen Offenheit: „Er hört einfach zu, fern jeder Erwartungshaltung, und zwar auf Augenhöhe, egal, wer da vor ihm sitzt.“

Diese Erfahrung prägt auch sein Verhältnis zum Publikum. Er ist dankbar, dass es bereit ist, sich nicht nur auf Brahms oder Skrjabin, sondern auch auf seine eigenen Werke einzulassen. Ein Album, ein Konzertprogramm ist für ihn deshalb nie nur Dienstleistung, sondern immer auch „ein Geschenk an sich selbst“.

Zeit für Reflexion ist dennoch knapp. Lange Autofahrten sind für Asal ein wichtiger Rückzugsraum, fast meditativ. „Man kann dort den Kopf freibekommen und abschalten – gerne auch ohne Musik.“ Ähnlich erlebt er es beim Fliegen, das er durch einen Freund in einem Leichtflugzeug kennenlernte, und beim Fechten, das er kürzlich für sich entdeckt hat. Hobbys, die für ihn eher Sehnsucht als Routine sind – und deshalb gar nicht abgehoben wirken.

Siena Tapes

Werke von Ravel, Badzura & Asal
Julius Asal (Klavier)
Deutsche Grammophon

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