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Sibelius: Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82

(UA Helsinki 1919)   Auf dem Einband der Partitur steht: in einem Satz. Die einschnittartigen Doppelstriche in den Noten zeigen aber drei Sätze. Eine Analyse des ersten Satzes erweist zudem, dass sich hier eine dynamische Sonatenform in zwei Teilsätzen austobt: eine ruhig beginnende Fantasie verwandelt sich in ein immer wilderes Scherzo; der Übergang – ein…

(UA Helsinki 1919)

 

Auf dem Einband der Partitur steht: in einem Satz. Die einschnittartigen Doppelstriche in den Noten zeigen aber drei Sätze. Eine Analyse des ersten Satzes erweist zudem, dass sich hier eine dynamische Sonatenform in zwei Teilsätzen austobt: eine ruhig beginnende Fantasie verwandelt sich in ein immer wilderes Scherzo; der Übergang – ein hochdramatischer, kreißender Akt – vollzieht sich in der Durchführung. Also eigentlich vier Sätze? Die Fünfte ist vor allem eine endlose Baustelle: 1915 erste Fassung, 1916 zweite Fassung, 1919 endgültige Fassung.

Am Anfang steht ein wunderbarer Einfall: Das Hörnerthema über dem Paukenwirbel. Dann eine lange Fermate – was soll daraus werden? Sibelius hat keine Ahnung, keinen Plan, er folgt seiner Fantasie als Sklave seiner Themen in einen Kampf mit ungewissem Ausgang. In diesem Mut (bei starker psychischer Verunsicherung, ob „Sinfonie“ als Typ noch zeitgemäß wäre) liegt seine künstlerische Integrität, Modernität und Qualität. Der Inhalt der Fünften ist der Kampf um die Fünfte (heute spricht man von „work in progress“).

In ihrer Bildhaftigkeit wirkt die Musik wie ein expressionistisches Drehbuch:

Zu Anfang ein Traumbild – unverlierbar, unwiederbringlich (Hörnerthema).

Schnitt – die Wirklichkeit 1915-19: Krieg, Hunger, Krankheit (erster Streichereinsatz).

Versinken in düsterer Melancholie (Fagottsolo).

Ausbrechen heller Verzweiflung.

Entladen gewaltiger Energien (Fantasie wird Scherzo).

Unaufhaltsam wachsendes Tempo bei zerfallenden Motiven.

Mitten im Aufruhr eine Vision: das entstellte Traumbild (Posaunen).

 

Schnitt – Sommeridyll.

Spielende Kinder (Pizzicato, Flöten).

Der Duft der Natur (Oboen-Dissonanzen).

Das erschöpfte Ich am Boden liegend (Streicher, Posaunen).

Mitten im Idyll eine Vision: das zerstörte Traumbild (Trompeten).

 

Schnitt – Aufbruch der Zugvögel (Tremolo).

Aufgeregtes Durcheinander, dann Bildung der Reiseformation (großes Holzbläserthema).

Zugvögel: eine grenzenlos solidarische Schicksalsgemeinschaft im Überlebenskampf.

Ihr Gesang näher kommend,

zu menschlicher Klage mutierend,

das am Boden liegende Ich erhebend (großes Streicherthema).

Schwingende Flügelschläge werden zu entschlossenen Schritten (großes Blechbläserthema).

Freude, Kraft und Liebe keimen: Die Symphonie kann beginnen – Ende der Symphonie.

(Mathias Husmann)

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