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Reise-Tipp: Baden-Baden & Bad Elster

Für Körper und Seele

In Baden-Baden und Bad Elster setzt man nicht nur auf heilende Kuren, sondern auch auf hochklassige Konzerte.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

638 Kurorte, so heißt es im Bäder-Lexikon von 1883, gab es im Europa des 19. Jahrhunderts, die von ­Aachen bis ins nordpolnische Sopot an der Ostsee reichten. Hier versammelte sich die internationale politische und gesellschaftliche Oberschicht. Den Tag verbrachte man mit Trinkkuren, Heilbädern und Wanderungen sowie Croquet und Golf. Abends lockte das Glücksspiel. Richard Wagner allerdings hasste „den Aufenthalt in Bädern“, wie er schrieb, und wusste dennoch, dass er nur hier, auf den „Schachbrettern Europas“, wie Goethe Karlsbad wegen seiner internationalen Prominenz nannte, wichtige Kontakte knüpfen konnte. Im August 1860 – nach jahrelanger Verbannung – wagte er sich wieder nach Deutschland, nach Baden-Baden, um der Kronprinzessin Augusta von Preußen, die hier ihre Sommerfrische verbrachte, seine Aufwartung zu machen.

„Sommerhauptstadt Europas“ nannte sich Baden-Baden zu jener Zeit auch wegen der vielen Künstler, die der musikinteressierte Chef der Spielbank Eduoard Bénazet um sich versammelte. Allen voran Hector Berlioz, der bis zu seinem Tod 1871 der „composer in residence“ war. Auch danach blieb Baden-Baden ein „place to be“ für Musiker. Brahms wohnte im nahen Lichtental, und auch Clara Schumann war oft da. Wagners Freund Franz Liszt sowieso. Man traf sich im ­Salon der Sängerin Pauline Viardot-García. Man musizierte, parlierte und sinnierte über Wagners Idee, Festspiele mit seinen Werken auszutragen, auf den „Brettern nach meinem Plane“, wie Wagner es selbst formulierte. 1874 bot der Bürgermeister in Baden-Baden ihm sogar ein Grundstück an, doch Wagner schlug das Angebot aus. Im bayerischen König Ludwig II. hatte er einen mächtigeren Gönner gefunden für sein Festspielhaus in Bayreuth. Doch das ist eine andere Geschichte.

Einst vor dem Ruin, heute in voller Blüte: Festspielhaus Baden-Baden
Einst vor dem Ruin, heute in voller Blüte: Festspielhaus Baden-Baden

Baden-Baden wird zur europäischen Kulturmetropole

Baden-Baden hingegen musste weitere 124 Jahre warten, bis es sein Festspielhaus bekam. Am 18. April 1998 wurde es feierlich eröffnet. Die Initiative dazu hatte Ermano Sens-Grosholz, ein Operntenor aus Südtirol, der sich in Baden-Baden als Designer ausgefallener Handtaschen und Schuhe einen Namen gemacht hatte. Für seine selbstfinanzierte Kon­zertreihe wünschte er sich einen standesgemäßen Rahmen. Mit Eliette von Karajan gründete er ein „Comité“, das zunächst nicht ernst genommen wurde. Doch als die Witwe damit frohlockte, ein Erbe ihres Mannes, die Pfingstkonzerte, von Salzburg nach Baden-­Baden ziehen zu lassen, wurde man hellhörig. Im Nu war in der Stadt mit der höchsten Millionärs­quote Deutschlands ein Grundstock zusammengetragen, der auch die Oberen überzeugte. Schnell war ein passender Ort gefunden: der seit 1977 stillgelegte Alte Stadtbahnhof, dessen großherzogliches Empfangsgebäude im Belle Époque-Stil unversehrt den Krieg überstanden hatte. Am 10. Mai 1996 setzte Kanzlergattin Hannelore Kohl den ersten Spatenstich für einen 120 Millionen Mark teuren Anbau. Ein „Euro-Concertare“ werde im Tal der Oos anheben, tönte seinerzeit der Festspielplaner Wolfgang Gönnenwein, man wolle „das große Publikum mit dem Lasso einfangen.“

Grund zum Optimismus gab es. Die Akustik war so gut wie in der Dresdner Semperoper, das Haus mit 2.500 Plätzen so groß wie die Pariser Bastille-Oper. Doch bei den astronomischen Ticketpreisen zog nicht jeder mit, und so stand das Haus sechs Wochen nach der Eröffnung im April 1998 vor der Pleite. Als Retter in der Not erwies sich Andreas Mölich-Zebhauser, ein studierter Musik­wissenschaftler und erfahrener Manager. In nur vier Jahren gelang es ihm, das Festspielhaus rentabel zu machen.“ Auch einen technischen Defekt an der Sprinkleranlage im Jahr 2000, der kurz vor einer Premiere, 40.000 Liter Wasser auf die Bühne stürzen ließ, überlebte man. Alle Friseure der Stadt halfen mit ihren Föhngeräten beim Trocknen.

Systematisch baute Mölich-Zebhauser ein professionelles Fundraising auf. Ein hauseigenes Reisebüro schnürt bis heute exklusive Pakete für Kurztrips. Besucher aus der Region lotst ein Reisebus-Shuttle ins Haus. Fast 200.000 Besucher kommen so jährlich ins Haus. Ein großer Teil des Budgets wird durch Sponsoren aufgebracht, der Rest über Kartenverkauf, Gastronomie und ­Lizenzen. Technik und Verwaltung sind überschaubar. Es gibt kein kostspieliges Ensemble, keine Kostümabteilung. Miete und Instandhaltung trägt die öffentliche Hand.

Seit 2019 führt Benedikt Stampa als Intendant das Haus. Statt auf Abonnenten verlässt man sich hier auf die Treue der Stammkunden. Die Pandemie allerdings brachte Umstrukturierungen mit sich, die Saison ist jetzt unterteilt in sieben Festivals. Im 25. Jahr steht unter anderem Richard Strauss’ Märchenoper „Die Frau ohne Schatten“ auf dem Programm der Osterfestspiele mit Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern. Außerdem: Premiere für das Tanzfestival „The World of John Neumeier“. Im Galakonzert „25 Jahre Festspielhaus Baden-Baden“ erklingen Arien aus den Trojanern von Berlioz. Deutsch-französisch ist auch das Repertoire der Herbstfestspiele mit Thomas Hengelbrock. Nicht umsonst nannten die Franzosen Baden-Baden im 19. Jahrhundert auch das „siebte Arrondissement“.

Das König Albert Theater ist das letzte deutsche Hoftheater
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Wo der König schon in der Wanne saß

Zurück zu Richard Wagner und seiner Heimat Sachsen. Bis zu seinem Tod sprach der gebürtige Leipziger Sächsisch, doch in Bad Elster im Vogtland war er nie. Im Gegensatz zu Goethe, der das Heilbad in seinem Epos Hermann und Dorothea zu würdigen wusste. 1848 wurde Bad Elster zum Königlich-Sächsischen Staatsbad erhoben, dessen Pracht man selbst nach 175 Jahren an den Parkanlagen und Bauten, den bunten Blumenrabatten, Wasserspielen, Themengärten, Skulpturen und dem Louisa-See und englischen Landschaftsgärten sieht.

In der Kupferwanne des Albert-Bads, deren Kabinen mit Stuckornamenten, Majolika-Keramik-Figuren und Messinghähnen ausstaffiert sind, soll schon der König gesessen haben. 250.000 Besucher wandeln jährlich durch diese Königlichen Anlagen, die mit sieben Spielstätten die „Festspielmeile der kurzen Wege“ genannt werden – vom Königlichen Kurhaus über die KunstWandelhalle, dem König Albert Theater und Musikpavillons bis hin zum 1911 eröffneten Natur­Theater, der ältesten Freilichtbühne Sachsens. Zum Jubiläum spielt die Chursächsische Philharmonie auf wie „zu Königszeiten“, gibt es Oper, Klassik, Jazz und Kabarett und das Rhododendronfest. Und am Pfingstsonntag werden die edlen Pferde mitsamt historischen Kutschen vorgefahren. Zu empfehlen auch die Stippvisite ins nahe Markneukirchen, wo sich das Musikinstrumentenmuseum und etwa hundert Meisterwerkstätten befinden.

Ob der Trunk beim großen Brunnenfest-Wochenende der „Elster-Säuerling“ sein wird? Ihm wird seit 1669 heilende Kraft zugeschrieben. Böhmisches Bier gibt es übrigens in der benachbarten tschechischen Eger.

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