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Der Violinist Sergey Malov im Porträt

Kreative Kommentare

Aber natürlich kann man zu Bach improvisieren! Sergey Malov verewigt sich per eigener Kadenz, wann immer es geht

vonChristina Bauer,

Wozu noch komponieren? Für Violinist Sergey Malov ist schon alles da. „Zum Glück leben wir in einer so alten Welt, wo wir aus einigen Jahrhunderten die Perlen einsammeln und uns nur damit befassen können“, sagt er. Der gebürtige Sankt Petersburger erspielt sie sich von Berlin aus. Dort lebt er mit seiner Freundin, einer Geigerin des Konzerthausorchesters. Aber einem wie ihm, jung und ehrgeizig, macht es auch Kummer. Was trägt ein noch so guter Interpret bei, wenn er nichts von der Musik erschafft? Improvisation wurde seine künstlerische Rettung. „Ich ,flüchte‘ in die improvisierte Musik, wo sie ein einziges Mal ist, aber doch bleibt.“ Heute sieht er das als primäre, solistische Daseinsberechtigung: Kompositionen um kreative Kommentare zu erweitern.

Selbstbewusster Dialog mit Komponisten

Entsprechend sind die Repertoire-Vorlieben des mit reihenweise Solistenpreisen ausgezeichneten Geigers. „Mozart, Beethoven, Brahms oder Khatchaturian erlauben das in ihren Werken. Diese Möglichkeit nehme ich sehr gerne an.“ Vor Bach gibt es genauso kein Halten – für Gegner ein regelrechter Frevel. Wer er sei, zu solcher Musik zu improvisieren, hielt ihm mancher vor. Für ihn aber schließt die Werke zu respektieren nicht aus, mit ihren Komponisten den Dialog zu wagen. Selbstbewusst fordert er Mitgestaltung. Zur Entstehungszeit großer klassischer Werke war sie ohnehin üblich, ergänzt er. In Sachen Improvisation bekam der klassische Violinist viel Inspiration von Jazz-Geiger Andreas Schreiber. Er wurde einer seiner wichtigsten Dozenten, neben Thomas Riebl am Salzburger Mozarteum und Eberhard Feltz an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Für die Studenten der Hochschule der Künste in Zürich, wo er seit Herbst nun selbst unterrichtet, möchte er ihn als Gastdozenten einladen.

Sergey Malov
Sergey Malov © Julia Wesely

Derweil mag der Dialog mit Komponisten im direkten Gegenüber etwas einfacher sein. Auch den sucht Sergey Malov gern. Jörg Widmann hat bei ihm bleibenden Eindruck hinterlassen. „Es gab eine Resonanz zwischen dem, was er in seiner Musik gemeint hat, und dem, was ich daraus verstanden habe“, stellt er fest. Er war stolz, dass er zu einer Notation noch Anmerkungen machen konnte. Da hatte Widmann, selbst kein Geiger, wohl die eine oder andere Kleinigkeit übersehen. Violinist Malov hat die Welt der Kammermusik erfahren, etwa im Trio La Compagnie Pochette und im Atrium Quartett. Die Solisten-Rolle studierte er besonders, interpretiert Paganini mit modernen, gern auch elektronischen Mitteln. Seine neueste Einspielung gilt Eugène Ysaÿe. Er sucht Entfaltungsräume, und es scheint, als dürften sie gern größer sein als bisher.

Sergey Malov: Eine Geige ist viel zu wenig

Sergey Malov mit Violine, Violoncello da spalla und Viola
Sergey Malov mit Violine, Violoncello da spalla und Viola © Julia Wesely

Geigenmangel hat er jedenfalls nicht, er spielt inzwischen eine ganze Sammlung alter und moderner Exemplare. Beim Klangideal hilft er so gern wie bei dem in der Musik. Das beschert ihm ob des eifrigen Testspielens große Kapazitäten an Thomastik-Saiten. Sie sind für seine Geigen, und für sein Violoncello da Spalla. Diese seltene Art von Cello, das an der Schulter gespielt wird, entdeckte der Geiger vor einigen Jahren. Nun spielt er es neben Violine und Viola regelmäßig. Das Modell, das ihm Dmitry Badiarov baute, half er – es erstaunt nicht – optimieren. Bogen, Saiten, Saitenhalter, Boden, Decke, alles wurde auf den besten Klang hin getrimmt. Mit hörenswertem Resultat, da ist der Musiker sich sicher. Seinen Ohren nach sind etwa Bachs Cello-Suiten geradezu für das Violoncello da Spalla geschrieben.

In den Konzertsälen wünscht sich Sergey Malov vor allem eines: mehr Verve. Um die zu erleben, musste er erst mit dem katalanischen Jugendorchester spielen. „Das hat mich umgehauen“, erinnert er sich. Er wünschte jedem Orchester etwas davon. Womöglich seien da bisweilen zu dominante Dirigenten im Weg. Sie bereiten sich auf Sinfonie und Orchester vor, und dann kommt ein Solist daher und hat auch noch eine Meinung. Malovs Gestaltungsfreude erntete offenbar nicht nur Begeisterung. Der Geiger schließt daraus, dass er am liebsten neben dem Solo-Spiel gleich selbst dirigieren würde. Er nimmt jetzt Dirigierunterricht, erste Konzerte gab es schon.

Trailer zu Sergey Malovs aktuellem Album:

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Aktuelles Album

Album Cover für
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Sergey Malov (Violine)
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