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Porträt Nils Landgren

„Noch lange nicht ausgeträumt“

Posaunist Nils Landgren beherrscht die spielerische Freiheit des Jazz bis ins kleinste Detail.

vonJohann Buddecke,

Es ist Frühjahr. Nils Landgren verbringt die Ferienzeit in seiner südschwedischen Heimat, fernab vom Trubel um seine Person. Der bei seinen Fans auch als „Mr. Red Horn“ bekannte Jazz-Posaunist und Sänger gehört zu den erfolgreichsten europäischen Jazzmusikern unserer Zeit. In seiner Heimat genießt Landgren seit Jahresbeginn die Ruhe fernab der großen Musiklandschaft, ein wenig Kraft tanken, bis es wieder zurück auf die Bühne geht. Zahlreiche Projekte stehen in seinem Terminkalender, neben dem Tourneegeschäft mit seiner Band unter anderem die Fortsetzung seiner Jazz-Residency an der Alten Oper Frankfurt und natürlich die JazzBaltica. Seit 2012 erarbeitet Landgren als künstlerischer Leiter des Festivals jährlich ein Programm mit Jazzgrößen aus dem Ostseeraum und bietet gleichzeitig dem Nachwuchs eine Bühne. Bescheiden nennt es Landgren, der in seiner ruhigen Art jede Interviewfrage mit viel Hingabe beantwortet, die „Liebe zur Musik“, die ihn antreibt.

Die Musik selbst wurde Landgren quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater als begeisterter Kornettist und Spieler in einer Brass Band sorgte für den ersten Jazz-Kontakt: „Er spielte mir Schellackplatten von Count Basie und Duke Ellington vor und meinte, dass ich sicher ein bisschen Talent hätte.“ Zu seinem Instrument kam Landgren schließlich durch Zufall. „Eines Tages stolperte ich über eine Posaune im Flur. Damit war mein Schicksal besiegelt.“ Nach dem Studium der klassischen Posaune zog es Landgren zunächst zufällig in die Popmusik. „Eigentlich hatte ich ja vor, Orchesterposaunist zu werden, ging dann aber mit zwanzig nach Stockholm um Jazz zu spielen. Das tat ich auch, bis mir am Ende des Jahres das Geld ausging. Dann kam das Angebot von Björn Skifs.“ Mit dem schwedischen Popmusiker ging Landgren schließlich auf Tournee und wurde schnell zum gefragten Instrumentalisten, steuerte unter anderem 1979 den Posaunensatz zu ABBA’s „Voulez-Vous“ bei.

Von der Bühne in den Hörsaal

1992 gründete Landgren die „Nils Landgren Funk Unit“, die zwei Jahre später unter dem Mitwirken von Maceo Parker beim JazzBaltica Festival ihren internationalen Durchbruch feierte. Trotz des großen Erfolges sah sich Landgren, der sich mit der Funk Unit durch seine signifikante Stimme als Sänger etablieren konnte, anfangs auch abschätzigen Kommentaren ausgesetzt. „Zeitweise war die Kritik an meinem Gesang so hart, dass ich aufgehört habe.“ Mittlerweile hat Landgren damit seinen Frieden gefunden und blickt mit großer Dankbarkeit auf seinen Werdegang. „Die Bühne ist für mich die Krönung für das, was ich gelernt habe und heute an eine junge Generation weitergeben kann.“ So ist es neben seiner Arbeit als Band Leader und Festivalleiter vor allem die Förderung junger Talente, die dem Schweden besonders am Herzen liegt. „Mein Ziel ist es, möglichst vielen jungen Menschen das Leben als Jazzmusiker zu ermöglichen“, benennt es Landgren, der ab 2006 zunächst als Dozent, seit 2014 schließlich als Professor an der Hamburger Musikhochschule Jazz-Posaune lehrt. Seine eigenen Erfolge sollen junge Musiker ermutigen, ebenfalls auf eine Jazzkarriere zu setzen. „Wenn ich bei dem einen oder anderen da eine Tür geöffnet habe, macht es mich sehr froh.“ Der populär verbreiteten Anschauung, der Jazz hätte wenig Zukunft, stellt sich Landgren entschieden entgegen. „Ich bin Optimist und sehe entgegen der Meinung vieler eine große Zukunft. Die Nachfrage und das Interesse unter jungen Musikern am Jazz nehmen zu.“

Nils Landgren Funk Unit
Nils Landgren Funk Unit

Inspiration aus Improvisation

Für ihn selbst bleibt es das improvisierende Moment des Jazz, das seine Liebe zu dem Genre bis heute trägt und ihn bei seinen zahlreichen Projekten inspiriert. „Die Stärke von uns Jazzmusikern ist, dass wir es uns erlauben dürfen, Töne zu spielen, die nicht auf dem Papier stehen.“ Aus diesem schier endlosen Klangkosmos zaubert Landgren ein erfolgreiches Projekt nach dem anderen. Dass er mit seinem Wirken auch über die Jazz-Grenzen hinaus wahrgenommen wird, erfüllt ihn dabei mit besonderer Freude: „Letztes Jahr wurde ich als erster Jazzmusiker mit dem Rheingau Musik Preis ausgezeichnet, was für mich eine große Ehre war.“ Und so blickt er weiterhin mit Neugier in die Zukunft. „Ich solle aber nicht all meine Träume realisieren, hat mein Vater mir mal gesagt. Irgendwann bleiben keine mehr übrig“, schmunzelt Landgren. Doch Träume scheint Mr. Redhorn noch mehr als genug zu haben.

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