Porträt Elisabeth Kulman

Auf der Suche nach der idealen Rolle

Mezzosopranistin Elisabeth Kulman haderte immer wieder mit sich selbst und dem Opernbetrieb. Inzwischen hat sie sich von einer Menge Ballast befreit.

© Julia Wesely

Elisabeth Kulman

Elisabeth Kulman

„Zu viele zögern ihren Abgang von der Bühne hinaus. Das ist schlechtes Theater und schlechtes Leben“, wusste bereits der weise Dramatiker John Steinbeck. Elisabeth Kulman hat schon immer geahnt, dass ein Leben als Opernsängerin nicht der Sinn ihres Lebens sein könne, weshalb sie 2015 mit gerade einmal Anfang vierzig beschloss, nicht mehr in Opernproduktionen aufzutreten. Vielleicht fürchtete die heute 47-Jährige tatsächlich ab einem gewissen Alter das „schlechte“ Theater, das Leben selbst aber hat es gut mit ihr gemeint. In einem Musik liebenden Zuhause aufgewachsen, wandte sie sich zunächst den Sprachen zu, studierte Russisch und Finno-Ugristik.

„Ich bin an der Grenze zu Ungarn aufgewachsen, im Burgenland, in dem es seit eh und je ein Kulturgemisch gibt, was über Jahrhunderte gut zusammengelebt hat. Meine Familie zählt zu der kleinen, alten, fast aussterbenden Minderheit der Ungarn in Österreich. Meine Eltern sind Österreicher, doch sie haben mit mir als Kind Ungarisch gesprochen“, erklärt sie ihre Liebe zu der Kultur der Magyaren. „Ich habe sogar in einer ungarischen Tanzgruppe Csárdás getanzt.“ Neben dem Sprach-Studium sang sie auch im Chor und bestand „ohne Ausbildung“ die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Wien. Sechs Jahre später stand sie da mit Diplom und bekam für einen Moment erste Zweifel. Schließlich kam ihr die Oper „anfangs künstlich vor, alles wirkte affektiert und unnatürlich“.

Sopran oder Mezzo?

Doch der Ehrgeiz war damals stärker. „Scheuklappenartig“ trieb sie ihre Karriere als Opernsängerin voran, wollte „es sich beweisen“. Als Mozart– und Händel-Sopran fand sie zunächst Aufmerksamkeit, bis sich 2004 die erste Krise einstellte. Zunehmend hatte sie sich unwohl im Sopranfach gefühlt und dachte zunächst, sie sei „nicht fleißig genug“. Wie wild trainierte sie und kämpfte lange um die Rolle der Primadonna. Mezzosoprane waren für sie nur jene, die die Rolle der Mutter, der Alten, der Intrigantin spielten. Über die Jahre aber entdeckte sie, dass man auch als Mezzo regelrechten Spaß haben konnte. „Die Böse zu sein, das ist doch viel interessanter als die langweilige Sopranistin, die unter den Männern leidet“. Sie glänzte als Carmen, Fricka und Orlofsky in den großen Häusern von Wien bis Tokio, von Paris bis New York und bei den Salzburger Festspielen.

Neu gefundene Freiheit

Nach außen hin befand sich Kulman künstlerisch auf dem Zenit. Nach innen aber haderte sie mit dem Beruf, empfand ihn nicht mehr als Berufung. Dazu kam 2011 ein schwerer Bühnenunfall – ein Kollege hatte ihr während einer Probe versehentlich mit dem Ellenbogen gegen ihren Kehlkopf geschlagen. Sie erholte sich zwar, dennoch machte sie sich Gedanken über die körperlichen Strapazen, denen sich Opernsänger aussetzen. Öffentlich kritisierte sie den damaligen Salzburger Festspiel-Intendanten Alexander Pereira wegen der Abschaffung des Probengeldes und den unzumutbaren Bedingungen wie etwa vier „Falstaff“-Vorstellungen an fünf Tagen, in denen sie die Mrs. Quickly war. Kulman wurde zum Sprachrohr der Initiative „art but fair“. Zudem schloss sie sich der #MeToo-Bewegung an und gründete die Initiative „Voice it!“, die sich für „Würde und Gerechtigkeit“ in der Kultur einsetzt. Außerdem betreibt sie den YouTube-Kanal „What’s Opera Doc“, eine Plattform, die sich auch für von der Corona-Krise existenziell bedrohte Künstler einsetzt.

Nur in dieser neu gefundenen Freiheit konnte sie zur Liebe ihres Lebens, der Musik, zurückfinden. In ihrer mit Tscho Theissing konzipierten Multi-Genre-Musikshow „La femme c’est moi“ („Die Frau bin ich“) fand sie endlich „die ideale Rolle, nach der ich während meiner Opernzeit vergeblich gesucht hatte“. Sie sagt, sie habe keinerlei Bedürfnis mehr nach dem großen Opernpublikum und das Drama rundherum. Auch nicht auf Besitz. Ihren Haushalt hat sie aufgelöst, die beiden Wohnungen vermietet, die Haare kurz geschnitten. Dazu Carsharing mit dem Ex-Freund in Wien. Und immer leichtes Gepäck. 16,5 Kilo derzeit. „Wenn noch Abendkleider und Noten wegkommen, wird es wieder weniger. Manchmal denke ich, dass ich immer noch zu viel herumschleppe.“

CD-Tipp

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