Kurz gefragt Nils Mönkemeyer

„Ich war eher Spätzünder“

Und dennoch: Wenn jemand alle Bratschenwitze Lügen straft, dann Nils Mönkemeyer. Hier spricht er über ...

© Irène Zandel

Nils Mönkemeyer

… Edelbratscher (laut Duden ein „Bratscher, der nicht zuvor Geiger gewesen ist“)

Da fällt mir natürlich als erstes Tabea Zimmermann ein, die tatsächlich direkt mit der Bratsche angefangen hat. Ich war da eher ein Spätzünder. Ich habe etwas länger gebraucht, bis ich wusste, was gut ist – und von der Geige zur Bratsche gewechselt habe. Die definitive Entscheidung fiel mit einem sehr dramatischen Ereignis zusammen: Ich hatte als Jungstudent in Bremen bereits Bratschenunterricht, aber noch bei einer Geigenlehrerin. Sie spielte eine Stradivari und wurde überfallen – mit tödlichen Folgen. Das war natürlich ein tiefer Einschnitt, und ich musste mir überlegen, wie es weiter geht. Kurz darauf fand ich meinen Bratschenlehrer an der Hochschule in Hannover. 

 

… Fandango

 

Das ist für mich der Inbegriff dessen, was wir in der Musik als spanisch empfinden: der Rhythmus des Flamenco, der Paartanz, in dem eine erotische Spannung zu spüren ist. Das ist schon in der spanischen Barockmusik angelegt, die ich für meine neue CD ausgewählt habe. Sie ist tänzerisch und ganz eigenständig, sie unterscheidet sich zum Beispiel total von Bachs Deutschen Tänzen. Auch wenn sie 300 Jahre alt ist, empfinde ich die Musik als sehr modern, so als könnte eine Band damit auftreten – so viel Drive hat sie.

 

… Melancholie

 

Für mich als Bratscher spielt sie immer eine große Rolle in der Musik, weil sie im Klang der Bratsche bereits angelegt ist. Der ist etwas verschattet, der ist nie so direkt und strahlend wie bei der Geige, sondern ein bisschen wie hinter einem Nebelschleier. Das ist etwas, was mich auch sehr zur Bratsche hingezogen hat. 

 

… Backen

 

Mein erster Gedanke: Schokolade! Mein Schokokuchen ist geradezu ein wenig pervers: Fünf Tafeln kommen da rein, Karamell, Butter und alles andere, was gut ist. Backen ist für mich Entspannung, fast schon ein meditativer Vorgang – weil man nichts beschleunigen kann. Wenn der Teig gehen muss, muss er gehen. Kochen dagegen finde ich stressig, weil das Timing so kompliziert ist: Die Soße darf nicht kalt sein, wenn der Braten fertig ist – umgekehrt ist es noch schlimmer. 

 

… Perfektion

 

Mein Umgang mit Erwartungsdruck hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Als ich während des Studiums an Wettbewerben teilgenommen habe, habe ich hohe Erwartungen an mich selbst gestellt. Ich wollte es unbedingt schaffen, als Solist Fuß zu fassen: Da hat niemand anderer etwas von mir erwartet. Jetzt ist das insofern anders, als dass mehr wahrgenommen wird, womit ich mich beschäftige. Erwartungen an eine vermeintliche Perfektion sind da selbstverständlich. Aber ich habe inzwischen die Sicherheit erlangt, dass ich sagen kann: So soll es klingen, so möchte ich das gerne haben. Letztendlich spiele ich ja Musik, um eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen, und das macht große Freude. Wenn man das nicht aus den Augen verliert, überwiegt immer das Schöne gegenüber dem Druck.

 

… Japan

 

Ich hatte dort letztes Jahr eine Konzerttournee. Was mich sehr beeindruckt hat, ist die Bescheidenheit der Menschen. Tokio ist zum Beispiel eine Stadt, die nur dadurch überhaupt existieren kann. Das Land ist ja extrem eng besiedelt, Tokio insbesondere, und das geht nur, weil die Leute Rücksicht aufeinander nehmen. Zum Beispiel tragen ja viele Menschen Mundschutz – aber nicht um sich selbst zu schützen, sondern um andere nicht anzustecken, wenn man krank ist. Und das imponiert mir: nicht sich selbst, sondern die Gemeinschaft in den Vordergrund zu stellen. 

 

… Yoga

 

Das mache ich jetzt regelmäßig, drei- bis viermal die Woche. Am Anfang habe ich mich gegen die Langsamkeit gesträubt – ich bin als Mensch eher von der energischen Sorte. Außerdem war es total anstrengend: Ein Sonnengruß und ich lag japsend am Boden. Aber allmählich merke ich, wie toll das ist. Mich begeistert an Yoga, wie eine Verbindung zwischen Körper und Geist hergestellt wird. Das ist der Musik sehr ähnlich: Ich habe eine Idee, eine Vorstellung im Kopf und setze sie mit einer Körperbewegung um. 

 

… seinen Lieblings-Bratschenwitz

 

Ich bin ganz schlecht bei Witzen: Ich höre sie und vergesse sie sofort wieder, auch wenn ich sie gut finde … Aber einer fällt mir doch ein: Was ist der Unterschied zwischen einer Bratsche und einer Waschmaschine? Die Waschmaschine vibriert schneller und was am Ende herauskommt, ist sauber … Also wenn Bratschenwitze das einzige wären, womit ich mich auseinandersetzen müsste, dann ist Bratsche spielen wirklich nicht so schwer. (lacht)

CD-Tipp

Termine

Samstag, 20.07.2024 19:30 Uhr Kirche Saanen

Rezensionen

Rezension Dorothee Oberlinger – Dance for Two

Wunderkammer

Dorothee Oberlinger und Nils Mönkemeyer leuchten mit Leidenschaft Klanggewebe vom Mittelalter bis zur Gegenwart aus. weiter

Rezension Nils Mönkemeyer – Gourzi: Whispers

Hommage an die Natur

Mit Nils Mönkemeyer und William Youn sind einfühlsame Meister am Werk. Konstantia Gourzis Musik öffnet Ohren und Herz. weiter

CD-Rezension Nils Mönkemeyer – Baroque

Edler Wettstreit

Nils Mönkemeyer entlockt seiner Bratsche wunderbar zarte, dunkel schimmernde Töne mti Werken von Robert de Visée und Johann Sebastian Bach weiter

Kommentare sind geschlossen.