„Mit den Füßen auf dem Boden der Tradition, den Kopf frei für die Gegenwart.“ So lautete eine musikalische Lebenseinstellung von Christoph von Dohnányi. Am Samstag ist der große Dirigent im Alter von 95 Jahren in München verstorben. Als Operndirektor dirigierte er an allen wichtigen Bühnen der Welt, ebenso stand er als gefragter Gastdirigent am Pult zahlreicher renommierter Orchester: Allein mehr als 100-mal dirigierte er die Wiener Philharmoniker. Eng verbunden war er auch mit den Berliner Philharmonikern.
Eigentlich wollte Dohnányi, der 1929 in Berlin als Sohn des Widerstandskämpfers Hans von Dohnányi geboren wurde, Jurist werden. Mit 16 Jahren nahm er in München ein Studium der Rechtswissenschaft auf, doch die Musik erwies sich rasch als stärkere Kraft. 1951 schloss er sein Kompositions- und Dirigierstudium an der Hochschule für Musik und Theater in München als Klassenbester ab, später vervollständigte er seine Ausbildung bei seinem Großvater, dem Komponisten Ernst von Dohnányi, in Florida. Hier in den USA lernte er auch Leonard Bernstein kennen.
Vehementer Advokat für den Bau der Elbphilharmonie
Seine erste feste Stelle trat er 1952 als Korrepetitor von Georg Solti in Frankfurt an. Als 27-Jähriger wurde er Generalmusikdirektor am Theater Lübeck – der jüngste in Deutschland. In gleicher Position leitete er später die Geschicke am Staatstheater Kassel, der Oper Frankfurt und der Hamburgischen Staatsoper. 1982 ernannte ihn das Cleveland Orchestra, eines der fünf Top-Orchester in den USA, zu seinem designierten Musikdirektor. Achtzehn Jahre lang, bis 2002, füllte er das Amt aus. Beim Orchestre de Paris diente er von 1998 bis 2000 als künstlerischer Berater, dem Philharmonia Orchestra in London stand er von 1997 bis 2008 als Chefdirigent vor. 2004 kehrte Dohnányi zurück nach Norddeutschland, wo er Nachfolger von Christoph Eschenbach beim heutigen NDR Elbphilharmonie Orchester wurde. In der Hansestadt setzte er sich vehement für den Bau des neuen Konzerthauses ein.
Neben dem klassisch-romantischen Repertoire galt Dohnányi als ein Fürsprecher der Neuen Musik. So leitete er unter anderem Uraufführungen von Werken von György Ligeti, Harrison Birtwistle und John Adams. Für seine Akkuratesse, analytische Schärfe und stete Präzision, die er gleichermaßen von den Musikern einforderte, wurde er von zahlreichen Künstlern weltweit geschätzt. Am heutigen Montag wäre Christoph von Dohnányi 96 Jahre alt geworden.