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Classic Violin Olympus in Dubai

Ein Wettbewerb als musikalisches Statement

In Dubai präsentierte sich mit dem Classic Violin Olympus ein neuer Geigenwettbewerb, der nicht auf Repertoire-Standardisierung setzte, sondern auf Reflexion, Dialog und musikalische Eigenständigkeit.

vonGregor Burgenmeister,

Dubai, jene Stadt, die sich ständig neu erfindet, geprägt von spektakulärer Architektur, ehrgeizigen Projekten und einer einzigartigen Mischung aus Tradition und Innovation, wurde 2025 zum Schauplatz eines musikalischen Ereignisses, das sich bewusst von etablierten Formaten unterschied: der Classic Violin Olympus. Der Wettbewerb, ins Leben gerufen vom international renommierten Geiger Pavel Vernikov, verfolgte keinen klassischen Auswahlprozess, sondern einen kuratierten Parcours, in dessen Zentrum die musikalische Persönlichkeit und Eigenständigkeit der Teilnehmenden stand.

Die Idee dazu war lange gereift. Vernikov, erfahrener Juror zahlreicher internationaler Wettbewerbe, kam zu der Erkenntnis, dass viele bestehende Formate sich zunehmend auf technische Kriterien und wiederkehrende Repertoire-Muster fokussierten. „Mir wurde bewusst, dass viele Wettbewerbe heute mehr sportlichen Wettkämpfen gleichen – mit sich wiederholenden Programmen und kaum Raum für künstlerische Tiefe und Entwicklung“, erklärte er rückblickend. Der Classic Violin Olympus sollte ein Gegengewicht dazu bilden.

Steht mit vierzig Jahren im Finale des Classic Violin Olympus: Soyoung Yoon
Steht mit vierzig Jahren im Finale des Classic Violin Olympus: Soyoung Yoon

Vorentscheide zum Classic Violin Olympus rund um den Globus

Bereits ein Jahr vor dem Finale begannen internationale Vorausscheidungen in Wien, London, New York, Tokio, Rom und Dubai. Vernikov begleitete jede dieser Stationen persönlich – auf der Suche nach Künstlerinnen und Künstlern, die nicht nur virtuos, sondern auch musikalisch eigenständig und intellektuell reflektiert agieren. Für die zwölf ausgewählten Finalistinnen und Finalisten war die Teilnahme nicht nur ein künstlerisches Privileg: Sie erhielten jeweils ein Preisgeld von 10.000 Euro – ein Zeichen dafür, dass künstlerische Exzellenz nicht von wirtschaftlichen Barrieren abhängig sein sollte.

Das Finale fand im Zabeel Theatre des Jumeirah Zabeel Saray Hotels statt – einem Ort, der mit seiner Ausstattung und Akustik einen würdigen Rahmen für die anspruchsvolle Struktur des Wettbewerbs bot. Diese bestand aus mehreren Runden, darunter klassische Solokonzerte, Kammermusik in Form des Beethoven-Tripelkonzerts sowie ein Vorspiel in der Rolle eines Konzertmeisters – eine seltene, aber bezeichnende Anforderung. Denn gefragt war nicht nur Solistencharisma, sondern die Fähigkeit, musikalisch zu führen, zu koordinieren und zu kommunizieren.

Auch die Jury war Ausdruck dieses neuen Denkens. Auf Hochschulprofessoren wurde bewusst verzichtet. Stattdessen versammelte sich ein international besetztes Gremium aus 25 Entscheidungsträgern des Musiklebens – darunter Dirigenten, Konzertveranstalter, Künstleragenten und Orchestermanager aus Europa, Asien, Nordamerika und dem Nahen Osten. So wurde Vielfalt nicht nur behauptet, sondern strukturell verankert.

Beethovens eminent anspruchsvolles Tripelkonzert ist Pflicht biem Classic Violin Olympus
Beethovens eminent anspruchsvolles Tripelkonzert ist Pflicht biem Classic Violin Olympus

Künstlerische und intellektuelle Herausforderungen für die Finalisten

Einen besonderen Stellenwert nahm die zeitgenössische Musik ein: Werke des Composer-in-Residence Alexey Shor waren Bestandteil des Pflichtprogramms. Shor, ursprünglich Mathematiker, ist ein Komponist, der emotionale Direktheit mit formaler Klarheit verbindet. Seine Werke entstanden nicht biografisch, wie er betonte, sondern sollen durch ihre Unmittelbarkeit Raum für persönliche Deutungen eröffnen. Die Aufführungen während des Wettbewerbs hätten ihn, so Shor, durch ihre Vielfalt und musikalische Fantasie „zutiefst bewegt“.

Ein weiterer Bruch mit gängigen Formaten: Nach jeder Runde war ein Gespräch mit der Jury vorgesehen. Die Teilnehmenden mussten ihre musikalischen Entscheidungen erläutern und Fragen der Jury beantworten – ein Vorgang, der Interpretationen nicht nur hör-, sondern auch gedanklich greifbar machen sollte. „Wir wollten Künstler fördern, die nicht nur spielen, sondern auch begründen können, warum sie so spielen“, sagte Vernikov. Die künstlerische Haltung, so sein Credo, beginne im Klang – aber sie dürfe dort nicht enden. Vernikov betonte, dass es ihm nicht um klassische Karriereförderung im engeren Sinne gehe: „Wichtiger als jede Auszeichnung ist, ob jemand seine eigene Stimme findet – unabhängig davon, ob er später als Solist oder Konzertmeister tätig wird.“

Als Gewinner ging der Armenier Haik Kazazyan hervor. Neben dem Hauptpreis von 200.000 Euro wurde ihm ein eigens für ihn gefertigtes Instrument im Stil einer Stradivari überreicht. Zudem erhielt er den Sonderpreis für die beste Interpretation eines Werks von Alexey Shor.

Der Classic Violin Olympus in Dubai war nicht nur ein Wettbewerb, sondern eine Versuchsanordnung: Wie viel Individualität lässt sich unter Wettbewerbsbedingungen freisetzen? Wie viel musikalischer Diskurs ist zwischen Jury und Kandidaten möglich? Und was bleibt am Ende von der Idee, nicht nur Könnerschaft, sondern künstlerische Haltung zu prämieren? Fragen, die über diesen Ort hinausreichen – aber in Dubai eine erste, bemerkenswert hörbare Antwort fanden.

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