Ein weiterer Mendelssohn? Für Niklas Liepe ist dessen Violinkonzert eine Herzensangelegenheit – doch er sucht dessen Ausdruckskraft nicht wie üblich im romantischen Schmelz, sondern im klassizistischen Geist. Mit beachtlichem Erfolg: Dem Kopfsatz entlockt er eine kantable Eleganz, veredelt durch vornehme Zurückhaltung. Ebenso lodert in dem Finale ein fast an Mozart reichendes Feuer. Die NDR Radiophilharmonie greift diese Lesart sensibel auf und begleitet den Solisten mit bewusster Zurückhaltung. Das eigentliche Zentrum des Albums bilden jedoch moderne Bearbeitungen für Violine und Orchester – etwa von Florian Christl, der das Hauptthema des Konzerts neu fasst, sowie zu Werken von Händel. Aleksey Igudesman steuert eine orientalisierende „Peace-acaglia“ auf Basis der siebten Cembalosuite bei, Tim Allhoff widmet sich den berühmten Stücken „Lascia ch’io pianga“ und „Zadok the Priest“. Klanglich jedoch bleibt das Ergebnis hinter den Ambitionen zurück: Statt wie im Booklet angekündigt Gegensätze zwischen Alt und Neu, Ost und West aufzulösen, verschwimmen die Konturen bis nur noch weichgespülte, gut verdauliche Parfümerien-Klassik erhalten bleibt.

Mendelssohn: Violinkonzert e-Moll op. 64, Christl: Mendelssohn Variation, Igudesman: Peace-acaglia, Händel/Allhoff: Lascia ch’io pianga & Zadok the Priest
Niklas Liepe (Violine), NDR Radiophilharmonie, Joseph Bastian (Leitung)
Sony