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Interview Simone Schneider

„Die extremen Rollen sind auch die interessanten“

Simone Schneider möchte das Leben als Ensemblemitglied nicht missen. Da können ihr noch so viele Angebote internationaler Opernhäuser zufliegen.

vonFrank Armbruster,

Eine Operndiva ist Simone Schneider nicht. Die in Bayern lebende Sopranistin, seit vielen Jahren ein Aushängeschild des Stuttgarter Opernhauses, gilt als bodenständig und dem Leben zugewandt. Im Interview erzählt die Tochter eines Konzertsängers von anstehenden Projekten, ihrer Liebe zu Nudeln und was sie an Regisseuren schätzt.

Frau Schneider, an der Staatsoper Stuttgart singen Sie die Kaisern in Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“. Worin liegen die Herausforderungen dieser Rolle?

Schneider: Dass sie sehr hoch gelegen ist. Viele C’s und H’s, zum Teil lang gehalten. Das ist keine leichte Partie.

Sie haben sie ja schon mal gesungen …

Schneider: Ich habe sie 2014 in Leipzig gesungen, es war nach meinem Fachwechsel so ziemlich meine erste Rolle als jugendlich-dramatischer Sopran. Erst kam Chrysothemis, dann die Kaiserin, dann erst Salome und die ganzen Wagnerpartien. Damals war die Stimme schon noch leichter, ich bin da jetzt nochmal ganz anders rangegangen. In neun Jahren tut sich stimmlich schon einiges.

Wieviel ist da noch da, wenn man eine solche Partie schon mal im Kopf hatte?

Schneider: Ich hatte noch ziemlich viel im Kopf davon. Und als ich mit dem Korrepetitor geprobt habe, waren es ziemlich genau dieselben Töne, an denen ich auch damals gearbeitet habe.

Das Stück ist symbolistisch überladen und nicht einfach in Szene zu setzen. Können Sie etwas darüber verraten, wie die Regie in Stuttgart vorgeht?

Schneider: Genaues weiß ich da nicht. Das Stück war ja schon lange geplant, und dann kam Corona dazwischen. Wir haben dann in dem quasi schon fertigen Bühnenbild das „Lied von der Erde“ aufgeführt, gewissermaßen als Behelfsstück. Da habe ich den Regisseur David Hermann kennengelernt, und es hat schon damals großen Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten. Das ist ein Mann mit ganz klaren Vorstellungen, so wie ich es mag.

Seit 2006 sind Sie Mitglied des Stuttgarter Ensembles. Sie werden aber auch international gebucht. Worin liegen die Vorteile, Ensemblemitglied zu sein?

Schneider: Ich wollte das immer. Beim letzten Intendantenwechsel 2018 ist Viktor Schoner eigentlich davon ausgegangen, dass ich gehen möchte. Aber ich habe gesagt: Nein, ich möchte gerne hier bleiben. Das konnte er erst gar nicht glauben. Aber ich brauche diesen Hafen. Zu wissen, hier bin ich fest, hier kann ich auch mal neue Rollen singen, hier werde ich geschätzt und begleitet. Die kennen mich, wissen, was ich kann und nehmen Rücksicht auf meine Wünsche. Das ist wie ein Zuhause. Und da bleibe ich auch.

Sie kommen ja aus einer musikalischen Familie. Wann war klar, dass Sie die Musik zum Beruf machen werden?

Schneider: Das war sehr früh klar. Ich bin mit der Musik groß geworden. Mein Großvater leitete Chöre und spielte Orgel in der Kirche. Zu der Zeit, als mein Vater, der auch Sänger ist, noch studierte, war ich Kleinkind. Es wird in der Familie kolportiert, dass ich mit sieben Jahren zu meinem Vater gesagt habe: „Ich möchte auch Sängerin werden. Aber nicht wie du (er war Konzertsänger), sondern richtig auf der Bühne.“ Ich hatte auch keine Idee, was ich stattdessen hätte machen können.

Wie bereiten Sie sich auf ihre Auftritte vor? Haben Sie Rituale?

Schneider: Ich verhalte mich eigentlich immer gleich. Ausschlafen, dann frühstücken. Später gehe ich dann Nudeln essen – mit Tomatensauce, damit es nicht so schwer wird und auch kein Gewürz drin ist, das mir auf die Stimme gehen könnte. Das machen übrigens viele Kolleginnen so, gerade dramatische Soprane. Fünf Stunden Oper, Wagner oder Strauss, das kann man kaum ohne Mittagessen durchstehen (lacht)! Dann geh ich sehr früh ins Theater und singe mich ein. Ich bin immer eine der ersten, weil ich meine Ruhe brauche, ich kann es nicht ausstehen, wenn draußen schon Leute rumlaufen, da kann ich mich nicht konzentrieren.

Haben Sie noch Lampenfieber?

Schneider: Bei Premieren schon, ja. Es legt sich dann, wenn man merkt, es läuft alles. Aber am Anfang ist man schon aufgeregt.

In Deutschland dominiert das Regietheater. Gibt es da auch mal Differenzen zwischen Sängern und Regisseuren? Gab es schon mal eine Situation, in der Sie gesagt haben: Das mache ich nicht?

Schneider: Ja, das gab es schon. Man muss dann eine gute Begründung haben, warum man etwas nicht machen möchte, denn die Regisseure haben ja ihr Konzept. Es will dich ja keiner ärgern mit dem, was er von dir möchte. Aber man muss dann eben diskutieren und versuchen, einen Weg zu finden, der für beide möglich ist. Wenn ich etwas nicht verstehe, kann ich es auch nicht so rüberbringen, dass es das Publikum versteht.

Wollte schon mit sieben Jahren Sängerin werden: Simone Schneider
Wollte schon mit sieben Jahren Sängerin werden: Simone Schneider

Stichwort Live-Streaming: Manche Häuser bieten das mittlerweile an, sodass man die Oper auf der heimischen Couch sehen kann oder beim Public Viewing im Park. Wie stehen Sie dazu? Verändert einen das auf der Bühne?

Schneider: Ja, das verändert einen schon. Man kann sich dann wirklich nichts mehr erlauben, mal einen Tag haben, an dem man vielleicht nicht so gut ist. Man weiß es natürlich vorher, wenn aufgezeichnet wird und ist dann sehr konzentriert, aber es ist immer ein zusätzlicher Druck. Alles kann wieder abgespielt und nachgehört werden. Aber eigentlich freue ich mich darüber, weil ich weiß, dass mein Vater zu Hause, der nicht mehr ins Theater kann, es dann auch schauen und hören kann.

Mein persönlich nachhaltigstes Opernerlebnis war die „Salome“ in der Regie von Kirill Serebrennikov 2015 in Stuttgart, in der Sie die Hauptrolle gesungen haben. Was ist Ihnen davon im Gedächtnis geblieben?

Schneider: Das war für mich genauso nachhaltig. Ich kannte Sere­brennikov vorher nicht. Wir sind uns dann vorgestellt worden, er hatte mir Blümchen mitgebracht, das fand ich reizend. Ich hatte zunächst Angst. Es war meine erste Salome, ich dachte, dass ich im Schlamm wühlen müsste und alles ganz furchtbar würde, aber dann war es vom ersten Augenblick an ein gegenseitiges Verstehen. Ich habe mich nie verstellen müssen, so haben wir die Salome angelegt, und es wurde meine Salome. Es war für mich die Arbeit, in der ich am meisten gelernt und mitgenommen habe. Ich freue mich schon, wenn ich sie nächstes Jahr wieder singen darf.

Nun ist ja die Salome eine sehr extreme Figur, ähnlich der Medea in Cherubinis gleichnamiger Oper, die Sie ja auch gesungen haben. Im Grunde sind das psychopathische Persönlichkeiten. Was reizt Sie daran? Haben Sie eine Neigung zur Tragödin?

Schneider: Nein, ich persönlich überhaupt nicht. Aber auf der Bühne kann man ja in Rollen schlüpfen und sich gehen lassen, zumindest in dem Rahmen, in dem das als Sängerin möglich ist. Die extre­men sind eben auch die interessanten Rollen, die Medea mit Konwitschny hat auch viel Freude gemacht.

Wagnerpartien zählen ja ebenfalls zu Ihren Paraderollen. Brünnhilde etwa haben Sie in Stuttgart schon gesungen. Gibt es weitere Partien, die Sie reizen?

Schneider: Ja. Die Elisabeth im „Tannhäuser“ ist die nächste Rolle, die ich gerne singen möchte. Ansonsten bin ich vorsichtig. Man muss schauen, wo man mit seiner Stimme noch hinkommt. Aber ich hab schon noch ein paar Träume…

Wo würden Sie gerne nochmal singen? Gibt es ein Haus, das Sie reizt?

Schneider: Mein Lieblingshaus ist Wien, weil ich die Stadt so liebe und die Oper, aber sonst? Nein, ich bin eigentlich ganz glücklich darüber, wie es ist.

Bayreuth reizt sie nicht?

Schneider: Nee … nee … leider nicht! (lacht) Da hab ich immer Sommerferien!

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