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Interview Pene Pati

„In solchen Momenten hilft nur Lachen“

Tenor Pene Pati über Klassik in Polynesien, Oper als Mannschaftssport – und die perfekte Komödie.

vonPatrick Erb,

Für Pene Pati ist Lachen nicht nur das beste Mittel, um auf delikate Fragen zu reagieren, sondern eine Lebenseinstellung, die tief verwurzelt ist in seiner Herkunft. Denn auf Samoa – wie auf allen polynesischen Inseln – gehören Glück und ein zuversichtlicher Blick nach vorn zum Alltag. Eine Haltung, die der Tenor in seine neue Heimat Paris importiert hat.

Sie sind in Neuseeland aufgewachsen. Was war Ihre erste Begegnung mit klassischer Musik?

Pene Pati: Eine sehr späte. Mein Einstieg war der Schulchor, da war ich etwa fünfzehn. Wir sangen „O Praise Ye the Lord“, das vergesse ich nie. Bis dahin kannte ich das Singen nur aus der Kirche und aus der Familie, wie die meisten Samoaner. An der Universität bin ich dann vom Chor zum Sologesang gewechselt, habe Wettbewerbe gesungen, um herauszufinden, ob das mehr ist als ein Hobby.

Wie haben Sie Ihre Stimme entdeckt und zum Gesang gefunden?

Pati: Gesungen habe ich immer – in der polynesischen Kultur singt man einfach. Lange Zeit habe ich das nicht einmal als Talent gesehen; ich dachte, das könne doch jeder. An der Uni wurde ich ermutigt, es solistisch und professionell zu versuchen. Da bin ich über das Chorsingen hinausgegangen und habe richtig trainiert. Tatsächlich habe ich erst an der Universität meine Stimme entdeckt – und erkannt, dass da ein besonderes Talent ist.

Gibt es in Ozeanien eine starke Klassiktradition? Wie sieht das kulturelle Leben in Australien, Polynesien und Neuseeland aus?

Pati: Der Zugang ist im Vergleich zu Europa eingeschränkt. In Neuseeland musste man früher den einen Klassiksender gezielt einstellen oder eben ins Konzert gehen. In Paris zum Beispiel steigt man in ein Taxi und hört überall Klassik. Trotzdem wächst das Interesse in meiner Heimat, und die Musikalität in Polynesien ist ohnehin sehr ausgeprägt.

Sie sind zwischen den Kulturen aufgewachsen. Was kann die europäische Klassik von polynesischer Musik lernen?

Pati: Dass Singen Leben ist, keine abgeschottete Kunst. In Polynesien singt man Geschichte, Mythen und Legenden; es ist gemeinschaftliches Erzählen. Man kann Rugbyspieler oder Wissenschaftler sein, man wird trotzdem singen, weil es zu einem gehört. Man schämt sich nicht, die Stimme zu teilen. In Europa war Singen historisch auch Erzählkunst, ist heute aber oft vor allem eine hochentwickelte Kunstform. Es wirkt, als sei Singen den „Begabten“ vorbehalten. Das sehe ich anders. Auch wenn man nie Profi wird, sollte Musik Teil von einem selbst sein. Das prägt auch, wie ich auf Oper blicke: Ich erzähle auf der Bühne immer noch Geschichten so, wie ich es zu Hause gelernt habe.

Sie traten dem Chor Ihrer Highschool bei, um in die Rugby-Mannschaft aufgenommen zu werden. Verlangt auch die Oper athletische Fertigkeiten?

Pati: Ich liebe Rugby immer noch. Es ist eine Mannschaftssportart – wie die Oper. Selbst als „Star-Tenor“ ist man auf Kolleginnen und Kollegen, Dirigent und Orchester angewiesen. Man braucht Fitness – körperlich und mental –, um Regie, Text und die gesanglichen Anforderungen zu stemmen, und muss seine Stimme in Form halten, um auf der Bühne wirklich gut beieinander zu sein.

Sie kennen die amerikanische und die europäische Operntradition und leben heute in Paris. Wo fühlen Sie sich am meisten zu Hause?

Pati: Mehr und mehr in Europa, besonders in Paris. Hier gibt es eine Kultur der kleinen Dinge. Familie, Freundschaften, gemeinsam verbrachte Zeit – das passt zu meiner samoanischen Seite. Für meine Jahre in den USA bin ich dankbar, aber dort ist vieles extrem wettbewerbsgetrieben. Was mir in Paris manchmal fehlt, ist der alltägliche Humor. In Neuseeland und Samoa wird regelmäßig gescherzt und gelächelt. Die Leute hier mögen meinen Humor, aber die Grundstimmung ist ein bisschen anders.

„Komik liegt mir mehr als Romantik“: Pene Pati
„Komik liegt mir mehr als Romantik“: Pene Pati

Sie lachen viel und wirken dabei sehr authentisch. Woraus resultiert Ihre positive Grundstimmung?

Pati: Aus Dankbarkeit. Auf den großen Bühnen der Welt zu singen, ist außergewöhnlich. Wenn ich hier in Paris von der Musik leben darf und das tue, was ich liebe – warum sollte ich nicht lächeln? Die Alternative wäre, zu Hause auf der kleinen Insel nichts zu machen. Selbst wenn etwas schiefgeht, lache ich lieber, als zu verzweifeln. Freude verändert den Raum.

Der lustigste Moment Ihrer bisherigen Laufbahn?

Pati: Neulich in Verona: Man steckte mich in ein viel zu enges Kostüm. Ich sagte noch: „Das hält nicht lange. Sommerhitze und straffes Leder sind keine gute Kombination“ Dazu sollte ich auf einen Brunnen springen und quasi darüber tanzen. „Aber es sieht gut aus“, hieß es. Am Ende riss das Kostüm – und der drehbare Brunnen geriet außer Kontrolle. Das Publikum lachte; ich versuchte ernst zu bleiben und vergaß prompt den Text. Im Rückblick: perfekte Komödie. Solche Momente liebe ich – da hilft nur Lachen.

Und umgekehrt: Was macht Sie völlig sprachlos?

Pati: Buh-Rufe. Ich weiß, dass das Publikum ein Recht auf Reaktion hat, aber es schockiert mich, wenn während der Vorstellung gebuht wird. Niemand geht auf die Bühne mit dem Plan zu scheitern; man weiß nie, was eine Künstlerin oder ein Künstler gerade durchmacht. Hat dir etwas nicht gefallen? In Ordnung, dann klatsche einfach nicht oder schreibe dem Theater. Aber Buhen nimmt dem Ganzen die Empathie.

Sie singen vor allem italienisches und französisches Belcanto-Repertoire. Warum nicht Wagner?

Pati: Das würde ich sehr gern irgendwann. Im Moment passt mein Stimmfach noch nicht ganz. Wenn Wagner, dann wären Lohengrin oder Parsifal wohl am ehesten denkbar. Ich singe sehr gern Deutsch – angefangen habe ich mit deutscher Chormusik –, und ich liebe Mahlers „Das Lied von der Erde“. Wenn es eine romantische deutsche Partie gäbe, die wirklich zu mir passt, würde ich sie sofort singen.

Sie singen viele tragische Rollen. Gibt es komische Partien, die Sie gern übernehmen würden? Wo liegen da die Herausforderungen?

Pati: Sehr gern mehr Komödie: Nemorino aus „L’elisir d’amore“, Tonio aus „La fille du régiment“ oder Ernesto aus „Don Pasquale“. Komik liegt mir auf eine sehr natürliche Weise – ehrlich gesagt mehr als Romantik. Sie ist leichter zu spielen, aber schwerer zu singen. Das Timing muss stimmen, und nicht jeder hat dieses Timing intuitiv.

Zu Ihren anstehenden Rollen in Deutschland zählen Alfredo in Verdis „La traviata“ und die Titelpartie in „Hoffmanns Erzählungen“ von Offenbach. Auf welche Rolle freuen Sie sich am meisten?

Pati: Auf den Hoffmann. Es ist ein Rollendebüt und eine Neuproduktion. Das birgt mehr Risiko, aber auch mehr Potential. „La traviata“ liebe ich, aber Alfredo ist allgegenwärtig. Hoffmann ist komplex und mysteriös, keineswegs eine bloße verheulte Tenorpartie. Das macht ihn sehr reizvoll.

Gibt es bereits neue Projekte am Horizont?

Pati: Opernseitig kommt mehr Massenet. Ich liebe die Musik und die psychologische Feinzeichnung. Darüber hinaus ist mein Traum ein Aufnahme- und Konzertprojekt mit polynesischen Liedern von den Samoa-, Tonga- und Fidschi-Inseln sowie von den Māori, arrangiert für Kammerorchester. Quasi eine musikalische Reise zum Pazifik. Die bekannten neapolitanischen Lieder meines letzten Albums könnten eine Brücke zu dieser Musik sein. Sie mit der Welt zu teilen, würde mir alles bedeuten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der klassischen Musik?

Pati: Ich wünsche mir mehr Opern über unsere Gegenwart – erzählt mit eingängigen Melodien. Verdi und Puccini schrieben über ihre Zeit; das Publikum erkannte sich wieder und ging ihre Melodien summend nach Hause. Ich verstehe den akademischen Ansatz, aber ich verstehe nicht, warum wir die schönen Belcanto-Melodien verloren haben. Wir sollten Opern in Auftrag geben, die heutige Geschichten erzählen, mit Musik, die die Menschen im Ohr mit nach Hause nehmen.

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