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Komponist Valentin Silvestrov im Interview

„Ich sehe Musik nicht als exakte Wissenschaft“

Der ukrainische Tonschöpfer Valentin Silvestrov über das Verständnis seiner Musik und die Freiheit des Komponierens

vonNicole Korzonnek,

Die Staatskapelle Weimar hat in dieser Saison Valentin Silvestrov zu ihrem „Composer in Residence“ ernannt. In ein paar Tagen wird der Klangkörper sein Violinkonzert uraufführen. concerti.de sprach mit dem ukrainischen Komponisten über seine Musik – und wie man sie hören sollte.

Herr Silvestrov, am 14. Januar wird Ihr Violinkonzert von der Staatskapelle Weimar uraufgeführt – werden Sie selbst auch im Publikum sitzen?

Valentin Silvestrov: Ja, ich werde da sein.

Ihrem musikalischen Verständnis nach, ist ein Komponist kein Schöpfer neuer Klänge, sondern lediglich ein Katalysator für all das, was eh schon da ist. Wie wichtig sind Ihnen da die Reaktionen des Publikums?

Silvestrov: Katalysator trifft es nicht ganz. Eher Mittler – also jemand, der dazwischen ist. Ich hoffe, dass die Reaktion des Publikums die gleiche sein wird wie die der Aufführenden, die meine Musik mit Verstand und hoffentlich auch mit Liebe aufführen werden. Für die, die kommen, um zuzuhören, ist es wichtig, dass die Musik mit dem ersten Ton, der gespielt wird, anfängt.

Ihr Violinkonzert wird unter der Leitung von Kirill Karabits uraufgeführt, mit dessen Vater Ivan Karabits Sie eine jahrelange Freundschaft verband – ist es für Sie etwas Besonderes, dass sein Sohn Ihr Werk dirigiert?

Silvestrov: Da unsere Familien eine jahrelange enge Freundschaft verbindet, ist es tatsächlich etwas ganz Besonderes für mich. Ich denke nach wie vor, dass Ivan Karabits neben Yevhen Stankovych und Oleh Kiva einer der drei wichtigsten Komponisten seiner Zeit war.

Wie fühlt es sich an, die eigene Komposition zum allerersten Mal zu hören?

Silvestrov: Ich hoffe, dass das Konzert zu einem Treffpunkt für Musik und dessen empfängliche Zuhörer sein wird – ganz ohne Erwartungen, Ideologien oder Wertungen.

Valentin Silvestrov
Valentin Silvestrov © Stefan Man

 

Solist des Abends wird Valeriy Sokolov sein, der wie Sie aus der Ukraine stammt. Versteht er Ihr Werk dadurch besser?

Silvestrov: Die Herkunft des Musikers spielt eigentlich keine Rolle. Ich sehe Musik nicht als exakte Wissenschaft oder konzeptuelle Kunst, die beide jeweils nur Verstand voraussetzen. Musik muss von denen, die sich dazu entschieden haben, sie zu spielen, geliebt werden.

Zudem wird auch Ihre Sinfonie Nr. 7 zu hören sein, die durch viele assoziative Schwingungen als Meta-Musik besticht. Wieviel Freiraum braucht ein Zuhörer, um bei einem Werk fühlen und denken zu können?

Silvestrov: Das Wichtigste ist wohl, in den Prozess des Hörens einzutreten und sich dann mit Vertrauen dem Fluss der Musik hinzugeben. In dem Zuhörer kann dieses Vertrauen entstehen, wenn er oder sie die Musik mit dem ersten Ton betritt.

Und wieviel Freiraum brauchen Sie als Komponist?

Silvestrov: Ich brauche keinen bestimmten Freiraum, außer Stille. In- und auswendige Stille, die für einen Komponisten wesentlich sind. Denn ansonsten könnte sich ihre Musik in strukturelles Gemurmel verwandeln oder in einen Prozess, der allein dem Klang dient.

 

concerti-Tipp:

5. Sinfoniekonzert
So. 14.1. & Mo. 15.1. jeweils 19:30 Uhr
Mit: Valeriy Sokolov, Staatskapelle Weimar und Kirill Karabits (Leitung)
Ort: Weimarhalle

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