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Interview Christine Schornsheim

Fantastisch, mutig, frech

Die Bach Biennale Weimar veranstaltet zum 300. Geburtstag Carl Philipp Emanuel Bachs ein „Präludio“ in der Geburtsstadt des Komponisten. Mit dabei aus Überzeugung: Christine Schornsheim.

vonChristiane Schwerdtfeger,

Vor einem Vierteljahrhundert fing alles an, seitdem hat Christine Schornsheim den Großteil der Solo- und Kammermusik Carl Philipp Emanuel Bachs gespielt. Und wenn es nach ihr ginge, müsste Bachs Lehrwerk Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen zur Pflichtlektüre für angehende Interpreten werden.

 

Carl Philipp Emanuel Bach war ein großer Klaviervirtuose. Worin liegen die Ansprüche seiner Musik für Pianisten?

 

Man muss schon spielen können! Natürlich gibt es einfachere Stücke, aber normalerweise besteht die Schwierigkeit im Unerwarteten. Wenn man gewöhnt ist, bestimmte Passagen, bestimmte Zusammenhänge zu üben, wird man bei Carl Philipp oft überrascht, denn er schickt uns in andere Richtungen. Er braucht zwar auch die gewöhnlichen Abläufe – aber er unterbricht sie sehr oft. Als Interpret ist man damit im technischen Ablauf permanent gestört. Das ist anspruchsvoll.

 

Worin sehen Sie persönlich die besondere Begabung Carl Philipp Emanuel Bachs?

 

Auf jeden Fall beherrscht er das Element der Fantasie. Die Form der Fantasie hat er ja oft gebraucht, aber auch seine Rondos und Sonaten sind immer verquickt mit Fantasieelementen. Daneben schätze ich, dass er harmonisch mutig ist: Wenn er ein C-Dur-Rondo schreibt, wandert das durch viele Tonarten und kommt so oft in ganz andere Welten… Insgesamt muss man vielleicht sagen: Fantasie, Mut, Frechheit zeichnen ihn aus.

 

Wie erleben Sie die Wahrnehmung Carl Philipp Emanuel Bachs im Musikleben? Gibt es Defizite?

 

Wir kennen heute hunderte von verschiedenen Stilen, aber Carl Philipps Musik wird einfach als unbequem empfunden. Der normale Hörer, der ein Liebhaber, aber kein Kenner ist, möchte gern wissen, wo er im Takt ist. Doch Carl Philipp verunsichert oft. Helfen können da Moderationen: Wenn man erklärt, was passiert, finden die Leute es witzig. Daneben besteht das Problem, dass wir heute in einer Zeit leben, in der von den Veranstaltern kaum noch mutige Programme gemacht werden. Umso wichtiger sind Jubiläen, damit die Musik tatsächlich aufgeführt und gehört wird.

 

Ist es für Sie etwas Besonderes, Carl Philipps Musik an seinem Geburtstag in seiner Geburtsstadt Weimar zu spielen? Weshalb?

 

Mag sein, dass da ein wenig Sozialromantik dabei ist, aber wenn man am Ort des Geschehens sein kann, macht es einfach Spaß. Natürlich ist es letztlich gleich, ob man ihn am 8. März in Weimar oder am 9. Dezember in Budapest spielt. Aber ich finde das einfach schön, am Geburtstag dabei zu sein, es ist inniger und man kann die Musikgeschichte Revue passieren lassen. Hier ist er geboren. Nicht mehr, nicht weniger.

 

Noch mehr über Carl Philipp Emanuel Bach sowie zahlreiche CD-Tipps der concerti-Redaktion finden Sie hier.

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