Seit 51 Jahren prägt German Brass die internationale Blechbläser-Szene. Zwischen zwei Konzerten stellten sich vier langjährige Mitglieder des Ensembles – Trompeter Uwe Köller, Hornist Klaus Wallendorf, Posaunist Fritz Winter und Tubist Stefan Ambrosius – der besonderen Hör-Herausforderung in der concerti-Redaktion: mit kritischem Humor und sportlichem Ehrgeiz.

R. Strauss: Also sprach Zarathustra – 1. Einleitung
Spanish Brass. Spanish Brass 2019
Fritz Winter: Das Arrangement kommt mir bekannt vor. Ist das Blechschaden?
Uwe Köller: Ich würde eher auf Classic Brass tippen.
Winter: Zählen wir erst mal die Instrumente durch.
Klaus Wallendorf: Ach, ist das ein Quintett? Europäisch?
Winter: Spanish Brass! Können wir bitte festhalten, dass ich das erraten habe?
Köller: Man hört sofort, dass es keine Orchestermusiker sind.
Winter: Ein deutsches Ensemble würde das auch nicht so leichtfüßig machen. – Josef Menzel und seine Kapelle spielen das immer beim Bieranzapfen.
Köller: Aber nur, weil der Strauss ein Bayer war.

J. S. Bach: Toccata und Fuge d-Moll BWV 565
Canadian Brass. BMG Music 1980
Winter: Puh, sind die schnell! Also wieder ein Quintett. Canadian Brass?
Stefan Ambrosius: Fritz, jetzt legst du aber los. 2:0!
Köller: Das ist eine neuere Aufnahme, oder? – Von 1980? Wow.
Ambrosius: Für eine 45 Jahre alte Aufnahme ist das wirklich gut abgemischt.
Wallendorf: Chuck Daellenbach, der Gründungstubist, hat dem Publikum vor dem Stück immer erklärt, wie eine Fuge funktioniert: Hier ist der Dux, da kommt der Comes …
Ambrosius: Ich habe Canadian Brass letztes Jahr in München gehört, Chuck ist immer noch dabei. Die klingen nach wie vor richtig gut.

Verdi: Ouvertüre zu „Nabucco“
The Philharmonic Brass, Riccardo Muti (Ltg). Supreme Music Media 2025
Wallendorf: Wie viele Bläser spielen denn da? Sechzehn, aha!
Winter: Dann ist es Philharmonic Brass mit Riccardo Muti. Das sind zweifelsohne tolle Kollegen, aber hier sind wir an einem Punkt angekommen, an dem die individuelle Kunst eines Musikers durch die Masse an Instrumenten überstimmt wird.
Wallendorf: Die Musik selbst bleibt ja immer gut, egal wer sie spielt, aber muss man denn alles eins zu eins für Blech bearbeiten? Ich finde es gleichwohl fantastisch, dass Riccardo Muti auf seine alten Tage doch noch den Weg zum einzig wahren Instrumentarium findet! Sein Mitwirken an diesem Projekt adelt das Album.

Beamish: In the Stillness
tenThing Brass Ensemble. LAWO Classics 2024
Köller: Nordlichter? Danish Brass oder Jeroen Berwaerts mit Stockholm Chamber Brass? Ach Gott, nein, das sind Tine Thing und ihre Leute. Mit ihr habe ich einmal zusammengearbeitet. Schön gespielt.
Winter: Ich finde das zu schnell, obwohl ich das Stück gar nicht kenne.
Wallendorf: Das geht jedenfalls in Richtung Morten Lauridsen und John Rutter. – Sally Beamish? Auf den Namen wäre ich nie gekommen. Ich habe leichte Aversionen gegen so weichgespülte, pseudoreligiöse Musik. Kleine Dissonanzen weisen auf die Zeitgenossenschaft hin, ansonsten ist es das Tonmaterial von vor zweihundert Jahren. Den Leuten gefällt es, aber es fühlt sich illegitim an.

Escaich: Old Song
Salaputia Brass. Berlin Classics 2024
Wallendorf: Seit ich Musik mache, denke ich darüber nach: Wir wollen alle neugierig und nicht reaktionär sein, aber die Neugierde wird von neuen Werken oft enttäuscht, weil es so geschwätziges Zeug ist. Schönbergs Ausspruch, die Menschen würden seine Musik in fünfzig Jahren auf der Straße trällern, war ein großer Irrtum. Das Ohr gewöhnt sich nicht an Atonalität, sodass vieles gleich klingt. Nur wenige Zeitgenossen haben ihre Nische gefunden. Es ist jedenfalls nicht von Lachenmann oder Widmann.
Ambrosius: Wahrscheinlich eine Auftragskomposition.
Köller: An der Klangvorstellung und der Stilistik merkt man, dass das hier alles Musiker mit Erfahrung in deutschen Orchestern sind. Es könnte Salaputia Brass sein. Da spielt einer meiner Schüler, Peter Dörpinghaus, mit.
Ambrosius: Das Stück geht manchmal in Richtung Filmmusik, dann hat es wieder etwas von einem gregorianischen Choral. Das ist interessant, keine Frage, und ich glaube, die Jungs hatten beim Einstudieren einen Mordsspaß, aber als Zuhörer ist man beim ersten Mal überfordert. Der Input ist immens, aber man würde damit nicht auf Tournee gehen.
Köller: Das hier ist wahnsinnig schwer zu spielen. Sie machen das super, aber abends am Kamin würde ich mir das nicht anhören wollen.

Koetsier: Brass Symphony – 3. Rondo
10forBrass. Genuin 2015
Köller: Das ist Koetsiers Brass Symphony.
Wallendorf: Super gespielt!
Winter: Eine kleinere Besetzung, oder?
Ambrosius: Acht Herren und zwei Damen? Ach, dann sind es die Hamburger aus Matthias’ Klasse …
Köller: … 10forBrass. Das Ensemble spielt hervorragend, aber gibt’s die überhaupt noch? Das war ja damals ein Studienprojekt. Jetzt haben sie alle feste Orchesterstellen. Darin besteht generell die Herausforderung: In der Jugend sind das alles aufstrebende, ambitionierte und ehrgeizige Musiker, die wie die Teufel proben und etwas Neues machen wollen, doch dann kommen Jobs, und dann fehlt die Zeit. Man muss sich als junges Ensemble schnell einen Namen machen, denn für zwei oder drei Konzerte im Jahr lohnt sich der enorme Aufwand kaum.

Bruckner: Sinfonie Nr. 7 – 2. Adagio
Phil Blech Wien, Anton Mittermayr (Ltg). DG 2013
Wallendorf: Oh, Wagner-Tuben.
Ambrosius: Ach du Schreck.
Wallendorf: Schön, dass man die vier Wagner-Tuben in einem Arrangement einmal prominent hört. Das ist auch für Blechbläserensembles eine Seltenheit. Ist das eigentlich der ganze Satz in einer Eins-zu-eins-Transkription? Beachtlich. Das passt ja zu unserem oft zitierten Jahrhundertprojekt: die Umarbeitung sämtlicher Bruckner-Sinfonien für Blechbläser und Schlagzeug, gefördert vom Blechblasverband Waltrop-Oberlippe …
Winter: Das macht schon Spaß zu spielen. In der Kirche könnte ich mir das vorstellen.
Köller: Sind das Amerikaner? – Phil Blech Wien, sagen Sie?
Wallendorf: Es wirkt jedenfalls so, als ob das Orchester gemeinsam losgefahren wäre, die Blechbläser dann aber an einer Kreuzung in die andere Richtung abgebogen sind.

J. Strauss (Sohn): An der schönen blauen Donau
Harmonic Brass. Brass Works Munich 2020
Ambrosius: Das haben wir auch erst aufgenommen – aber schöner!
Wallendorf: Oh, aha, immerhin fast ein Wiener Nachschlag.
Köller: Ja, das war gut! Ist das Art of Brass? – Nein, Harmonic Brass! Macht drei Punkte für mich.
Wallendorf: Ihr hört die Ensembles heraus, das finde ich ja irre.
Winter: Ich habe einfach die genannt, die ich kenne.
Wallendorf: Das ist zu bescheiden, Fritz.
Köller: Die Art und Weise, wie sie spielen, ist nicht orchestral. Leider ist auch die Abmischung nicht gut, das klingt alles separiert. Das Quintett könnte viel kompakter rüberkommen.

Wagner: Walkürenritt
German Brass. Berlin Classics 2013
Ambrosius: (nach einem Takt) Das sind wir!
Köller: Das ist ja gigantisch. Hören Sie nur diese Trompeten!
Ambrosius: Auf der Aufnahme klingt es nach mehr als zehn Instrumenten. Das liegt am Overdub, das heißt, die einzelnen Spuren wurden extra aufgenommen und nachträglich hinzugefügt. Nachdem die CD herauskam, gab es viele Anfragen von Veranstaltern, die das gerne live auf der Bühne gehabt hätten, aber wegen des Overdubs können wir nur wenige Stücke daraus spielen. Ganz ehrlich, das ist eine meiner Lieblings-CDs von uns. – Sagt mal, die Sachen, die ich mir anhöre, höre ich sofort heraus.
Köller: Nein, die Sachen, die du einspielst, hörst du sofort heraus!
Ambrosius: Dabei hat die Tuba am Anfang Pause.

Desmond/Schifrin: Take Five/Mission Impossible
Blechschaden. Tyrolis 2019
Winter: Blechschaden! Ich habe bei ihnen schon öfters mitgespielt, daher kenne ich das.
Ambrosius: Das passt richtig gut in ihr Profil. Sie kommen ja alle aus demselben Orchester und kennen sich sehr gut, das ist ein Vorteil für sie.
Köller: Auch das Proben wird dadurch leichter. Dieses Arrangement spielt sich aber einfach vom Blatt.
Wallendorf: Hat da Bob Ross mitgespielt?
Winter: Nein, er steht am Pult und dirigiert. Das macht es tatsächlich noch leichter.

Ellington: Caravan
London Brass. London Brass 2016
Ambrosius: Das klingt auch schön (singt die Melodie mit).
Köller: „Caravan“! Das ist jetzt aber Bach, Blech und Blues?
Winter: Das könnten Amerikaner sein.
Ambrosius: Boston Brass?
Köller: Nein, das ist ein europäisches Ensemble. Die Amsterdamer? Pro Brass?
Wallendorf: Philip Jones hat das nicht gemacht. – London Brass, also. Das klingt gut.
Ambrosius: Das ist hervorragend aufgenommen. Das Schlagzeug wirkt nicht wie ein Fremdkörper. Ich könnte mir vorstellen, die CD zu kaufen.
Winter: Also, ich möchte festhalten, dass wir uns nicht total blamiert haben! Danke, dass wir hier sein durften.
Aktuelles Album:

A Tribute to Johann Strauss
German Brass. Berlin Classics
VÖ: 26.9.2025