Mit Ihrer Musik sind ganze Generationen von Kindern und Familien groß geworden. Wie begeistern Sie Jung und Alt gleichermaßen?
Rolf Zuckowski: Tja, ich glaube, so richtige Kinderlieder habe ich gar nicht so viele geschrieben. Eigentlich sind es überwiegend Beziehungslieder, meistens zwischen Kindern und Erwachsenen, zum Beispiel den Eltern, den Großeltern oder auch zwischen Kindergruppen. Wirklich kindliche Lieder von mir, wie zum Beispiel „Ich bau mir eine Höhle“, gibt es weniger. Das hat sehr viel dazu beigetragen, dass sich viele Menschen mit den Liedern identifizieren. Die Kinder natürlich zuerst und dann meistens auch Erwachsene.
Kinder sind durchaus ein anspruchsvolles Publikum. Was macht gute Unterhaltung für Kinder aus?
Zuckowski: Man muss bereit sein, sich in die Kinderseele hineinzufühlen. Es braucht Vermittlungsgeschick. Zudem muss man gewisse Techniken im Unterricht oder auch im Konzert draufhaben, um Spannungen aufzubauen, damit man die Kinder nicht verliert. Wir kennen das aus der Schule. Es gab immer Lehrer, die uns gefordert haben. Das war dann langfristig sehr gut. Bei anderen haben wir uns gelangweilt.
Sie machen vor allem Musik mit Kindern. Was begeistert Sie daran?
Zuckowski: Die Freude am Singen mit meinen eigenen Kindern war elementar für das, was ich später gemacht habe. Angefangen habe ich mit Kita- und Schülergruppen und Chören und fand den Klang der kindlichen Stimmen immer bezaubernd, auch wenn sie nicht immer sauber und rein klingen. Es ist dazu der Charakter des Individuums, aber auch das Gruppenerlebnis mit Kindern, das ich suche. Dabei finde ich den Blickkontakt zu Kindern so wertvoll. Er schafft ein Wir-Gefühl, macht aber auch wachsam und aufmerksam, ob man das Publikum noch bei sich hat. Wenn man die Aufmerksamkeit der Kinder verliert, sitzen sie sehr bald nicht mehr auf ihren Stühlen, sondern tanzen irgendwo in den Gängen herum und sind nur noch schwer in den Griff zu bekommen.
Ist es heute im gesellschaftlichen Wandel schwieriger, musikalische Angebote für Kinder zu realisieren?
Zuckowski: Nein, es gibt eine große Szene von Männern und Frauen, die Musik für Kinder machen. Die Schwelle, etwas zu veröffentlichen, ist viel niedriger geworden, weil man mit einfachsten Mitteln Musik aufnehmen und ins Netz stellen kann. Wenn man sich geschickt vernetzt, kann das sehr erfolgreich werden. Es gibt auch viele Kulturvereine in Deutschland, die Musik für Kinder in ihrem Programm haben und es wagen, Neues auf die Bühne zu bringen. Die Alternativangebote sind aber leider wahnsinnig attraktiv geworden. Smartphones oder Tablets bergen großes Suchtpotenzial. Kinder davon wegzubringen, hin zum Musizieren oder auch zum Sport, zu Naturerlebnissen, zu dem, was eben nicht elektronisch funktioniert, ist schwerer geworden.
Also reden wir von einem Aufmerksamkeitsproblem.
Zuckowski: Die Konzentrationsspanne leidet darunter. Digitale Unterhaltung baut auf ganz schnellen Wechseln auf. Das ist bei Musik gar nicht möglich, weil man den etwas größeren Bogen braucht. Es wird immer mehr zur pädagogischen Herausforderung. Vor allem, wenn es um andere Genres wie Klassik gehen soll. Aber auch hier gibt es gute Beispiele für erfolgreiche Projekte. Ich bin zum Beispiel mit dem Hamburger Konservatorium befreundet. Da bin ich Pate der Musikschule. Ich kenne das Ensemble Salut Salon sehr gut, die auch ein spannendes Kindermusikprojekt , die „coolen Streicher“, aufgebaut haben. Es gibt also zum Glück genug Menschen, die es schaffen, die Kinder pädagogisch und emotional abzuholen und sie dann auch mal in eine Welt zu führen, in der eben nicht die schnellen, spannenden Wechsel das Thema sind, sondern der größere Bogen.
Zudem ist das Thema Sprache bei Kinderliedern eminent…
Zuckowski: Musik spielt eine große Rolle, mit Sprache vertraut zu werden, den Klang der Worte zu spüren und vielleicht Mehrdeutigkeiten in Wörtern zu verstehen. Lieder sind oft die erste Poesie, die Kinder überhaupt wahrnehmen. Wenn es richtig schön klingt, sich schön reimt, also gut im Mund liegt, dann lernt man die Sprache lieben. Schwierig wird es mit dem ganz enormen Wandel der Sprache in Richtung Geschlechtersensibilität. Jene in Liedern unterzubringen, ist bisher noch keinem gelungen. Dass in der Kommunikationssprache oder im Journalismus vieles möglich ist, ist mir klar. Vielleicht auch nötig. Aber wenn man Sprache nicht mehr singen kann, wenn sie kein Gedicht mehr werden kann, dann ist sie für mich fragwürdig. Unsere singende, klingende und musische Sprachkultur ist mit der zeitgemäßen, geschlechtersensiblen Sprache praktisch nicht vereinbar.
Sie haben auch klassische Musik für Kinder aufbereitet und mit Erzählungen versehen. Ist klassische Musik schwerer zu begreifen als andere Genres?
Zuckowski: „Die Zauberflöte“ zu begreifen, ist wahrscheinlich etwas leichter als ein Rachmaninow-Stück. Insgesamt kann Klassik sehr einladend, aber auch fordernd und anstrengend sein. In meiner CD-Serie „Das große Abenteuer Musik“ habe ich als Erzähler mit Klassikexperten z.B. „Die Zauberflöte“ und den „Barbier von Sevilla“ für Kinder aufbereitet. Zudem habe ich immer versucht, die Kinder für den Klang und Zauber der Instrumente zu begeistern. So gibt es meine „Vogelhochzeit“ als Ausflug ins Orchester. Da landet eine Zugvogelfamilie zwischen den Notenpulten und das Zugvogelkind ist neugierig und will alle Instrumente alleine hören, die eigentlich im Ensemble spielen.
Wie waren denn Ihre ersten Berührungspunkte mit klassischer Musik?
Zuckowski: In der Schule wurde das Thema eher theoretisch angefasst, was nicht alle Schüler gut erreicht hat. Meine intensivste Begegnung war durch meine berufliche Zeit im Musikverlag Sikorski. Ich war Assistent von Professor Sikorski von 1968 bis 1972. Da habe ich viel kennengelernt. Werke von Prokofjew zum Beispiel, aber auch von Schostakowitsch und Chatschaturjan. Allerdings war es für mich als Popmusiker und Melodienmensch nicht leicht, mir die Schönheit der komplexeren Werke zu erschließen. Später haben meine Frau und ich Opern-Abonnements abgeschlossen, waren aber eher dem Ballett zugewandt, was ich sehr reizvoll fand. Und immer, wenn wir in Wien oder Paris sind, geht der Blick schon vor der Anreise dorthin, was es in der Oper gibt.