Seen, Saunawurst, manchmal sehr viele Mücken, eine spezifische Sprache und sehr schöne, melancholische Musik: Das alles bietet Finnland – und fast alles kann man beim Usedom Musikfestival erleben, denn in diesem Jahr wurde der Ostsee-Anrainer als Länderschwerpunkt ausgewählt. Eröffnet wird das Festival traditionell vom Baltic Sea Philharmonic. Der Klangkörper, bestehend aus herausragenden Talenten aller Ostsee-Staaten, ist mit dem Usedom Festival seit seiner Gründung dortselbst 2007 eng verbunden. Mittlerweile hat sich das Ensemble zum Botschafter von Zusammengehörigkeit, Kreativität und musikalischer Exzellenz entwickelt. Unter der Leitung von Joshua Weilerstein spielt die 22-jährige finnische Geigern Iidamari Ahonen, die in diesem Jahr den Usedomer Musikpreis 2025 erhält, das Violinkonzert von Jean Sibelius, eines der berühmtesten Werke aus Finnland.
Auch der Konzertort ist das Kommen wert: Das Kraftwerk Peenemünde ist eine umfunktionierte Turbinenhalle. Der Ort, an dem die Grundlagen für die moderne Raumfahrt gelegt wurden, hat eine zwiespältige Geschichte, denn hier wurde im Dritten Reich an Raketen für den verheerenden Vernichtungskrieg geforscht. Gemeinsam mit dem Historisch-Technischen Museum und dem Norddeutschen Rundfunk nahm das Usedomer Musikfestival 2002 die Halle als Konzertsaal in Betrieb. Ein ganz besonderer Ostsee-Wind weht nun an diesem Ort, dessen Besuch sich in historischer, musikalischer wie auch in architektonischer Hinsicht lohnt.

Mit viel Gesang wider das Klischee der „schweigsamen Finnen”
Ein außergewöhnliches Konzerterlebnis wird der Liederabend in der Evangelischen Kirche im Seebad Ahlbeck. Bassist Mika Kares, der unter anderem bei den Bayreuther Festspielen gastiert, bringt mit Liedern von Tauno Pylkkänen, Toivo Kuula und Oskar Merikanto die finnische Seele zum Klingen. Kirill Kozlovski begleitet den Opernsänger dabei am Klavier. Mit Kunstvollem von Johannes Brahms und Richard Wagner rundet das Duo den Abend mit diesen selten gehörten Kleinoden ab.
Ebenfalls stimmgewaltig kommt das Sinfoniekonzert mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester am 4. Oktober daher. Die Sopranistin Camilla Nylund, renommierte Wagner-Sängerin in Bayreuth, singt unter anderem „Vier Lieder“ von Jean Sibelius in einer Orchesterfassung. Finnland ist im letzten halben Jahrhundert für seine international führenden Dirigenten berühmt geworden. Jukka-Pekka Saraste ist einer der bekanntesten unter ihnen. Für sein Gastspiel bringt er die sechste Sinfonie von Jean Sibelius mit – ein Werk, das der Komponist selbst einmal als Erinnerung an „den Duft des ersten Schnees“ beschrieb. Mit Wilhelm Stenhammers sinfonischer Ouvertüre „Excelsior!” stellt er überdies einen noch recht unbekannten schwedischen Komponisten vor.
Nicht ganz so klassische, aber intensive Klänge bringt die Sängerin und Aktivistin Anna Morottaja auf die Insel. Die Vertreterin des Volkes der Inari-Samen in Nordlappland betört mit traditionellen Liedern in der Dorfkirche von Liepe und kommt am nächsten Tag mit Jüri Reinvere über „Klimawandel und traditionelle Kultur“ ins Gespräch. Am zweiten Festivalwochenende spielt am 27. September das Finnish Baroque Orchestra in Świnoujście (Swinemünde) auf der polnischen Seite der Insel festliche Musik aus dem Ostseeraum mit Improvisationen auf der traditionellen finnischen Bogenleier (Jouhikko).

Tango und mehr bei Usedomer Musikfestival
Dass sich dieser Landstrich eine eigene Art des Tangos leistet, ist bekannt. Esko Laine, Solo-Kontrabassist der Berliner Philharmoniker, gibt eine Kostprobe des finnischen Tangos und stellt ihn mit seinem Ensemble anderen Tango-Stilen der Welt gegenüber. Und wer nicht nur zuhören, sondern auch tanzen möchte, kann sich am 3. Oktober im Konzertzelt am Ahlbecker Strand vom Berliner Quartett Satumaa in die Tanzträume des Nordens entführen lassen.
Eine weitere Tradition, die sich beim Usedom Festival etabliert hat, ist die Begegnung mit einem bekannten Schauspieler. Diesmal liest Robert Stadlober aus dem finnischen Roman „Die sieben Brüder” von Aleksis Kivi. In der Evangelischen Kirche der Stadt Usedom lernt man die Brüder Juhani, Aapo, Tuomas, Simeoni, Timo, Lauri und Eero kennen und kann ihren abenteuerlichen Geschichten lauschen. Hideyo Harada sorgt am Klavier für die passende musikalische Kulisse.
Auch, dass es etwas Interessantes zu sehen gibt, hat sich beim Festival bewährt. Ab dem 23. September ist in der Villa Irmgard in Heringsdorf die Ausstellung „Die Mumins kommen!“ zu sehen. Die liebevoll gezeichneten Trolle der finnlandschwedischen Autorin Tove Jansson haben längst Kultstatus erlangt.
Und wer den finnischen Lebensstil vollends auskosten möchte, kann vom 2. bis 5. Oktober in der Sauna neben dem Konzertzelt am Strand schwitzen – mit direktem Blick auf die Ostsee und fast ohne Mücken.