Füssen im Allgäu – eine Stadt mit musikalischer Vergangenheit, deren Echo bis in unsere Gegenwart reicht. Dort, wo einst die erste europäische Lautenmacherzunft entstand und sich eine bedeutende Geigenbaukunst entwickelte, feiert das Festival vielsaitig vom 3. bis 10. September 2025 seine 23. Ausgabe – und lädt erneut dazu ein, in den beeindruckenden Barockgemäuern des prächtigen Kaisersaals im Kloster St. Mang musikalische Resonanzräume zu erleben. Wer schon einmal hier war, weiß, dass dieser Ort ein akustisches Wunder ist. Dass dort jedes Pianissimo trägt, jedes Vibrato eine Geschichte erzählt.

Unter dem diesjährigen Motto „Resonanzen“ widmet sich das Festival jedoch nicht nur der Kammermusik in all ihren Facetten, sondern beleuchtet auf poetische Weise auch das, was Musik im Innersten ausmacht: Austausch und zwischenmenschliche Verbindung. „Kein Mensch ist eine Insel“, schrieb einst der englische Dichter John Donne – und diese Devise prägt in Zeiten zunehmender Isolation die inhaltliche Ausrichtung des Festivals. Resonanz als Grundprinzip des Miteinanders und künstlerischer Kommunikation: genau hier setzt vielsaitig 2025 an.
Kammermusikalische Sternstunde zum Auftakt
Den Auftakt macht ein junges Quartett, das derzeit international für Furore sorgt: Mit seinem leidenschaftlichen Zugriff, seiner stilistischen Wachheit und atemberaubenden Bühnenpräsenz verspricht das Leonkoro Quartett eine kammermusikalische Sternstunde – oder vielmehr zwei: ein sommerlicher Doppelschlag, in dem Schulhoff, Mendelssohn und Mozart ebenso erklingen wie Haydn, Schostakowitsch und Schubert (3.9. & 4.9.). Gemeinsam mit dem Cellisten und künstlerischen Leiter des Festivals Julian Steckel sowie mit dem Bratscher Takehiro Konoe wird auch eine musikalische Rarität zu neuem Leben erweckt: Mozarts große konzertante Symphonie in Es-Dur für Violine, Bratsche und Orchester in der Bearbeitung für Streichsextett aus dem Jahr 1807, ein Werk, das eigentlich gar keines war – und gerade deshalb verblüfft.

Nach diesen besonderen Quartettmomenten verschieben sich die Kontinente. Die Bühne im Kaisersaal gehört nun einem Ensemble, dessen Name bereits die Richtung vorgibt: Cuarteto SolTango. Sie schlagen eine Brücke von den Ballsälen der goldenen 30er Jahre in Buenos Aires bis zu den feinnervigen Arrangements eines Astor Piazzolla (5.9.). Die instrumentale Besetzung – Violine, Violoncello, Bandoneon, Klavier – ist ebenso unorthodox wie perfekt aufeinander abgestimmt. Der Tango lebt hier nicht nur vom Rhythmus, sondern von kammermusikalischer Tiefe.
Zwischen Tradition und Erneuerung
Währenddessen sind in der Orangerie der Stadtbibliothek junge Talente am Werk. Der Violoncello-Meisterkurs, geleitet von Julian Steckel, gehört seit vielen Jahren zum Herzstück des Festivals (5.9.). In einer musikalischen Teestunde begegnen sich Neugier, Mut und Spielfreude. Und spätestens beim traditionellen Abschlusskonzert am Samstagabend wird klar, wie viel musikalische Zukunft hier in Füssen entsteht.
Wiederum ganz andere Farben bringt das darauffolgende Konzert. Frank Dupree, ein Pianist mit unglaublicher Spannweite, hebt gemeinsam mit seinen Triopartnern Jakob Krupp und Obi Jenne die Grenzen zwischen Klassik und Jazz auf (8.9.). Die drei lassen Beethoven, Gershwin, Ravel und Duke Ellington miteinander in Dialog treten, als hätten sie sich längst in irgendeinem imaginären Club verabredet. Eine stilistische Horizonterweiterung, die sich mühelos einfügt in das vielsaitige Gesamtkunstwerk.

Ein besonderer Moment ist auch der Auftritt der norwegischen Geigerin Ragnhild Hemsing, deren Spiel sowohl auf der Violine als auch auf der traditionellen Hardangerfiedel ein tiefes Gefühl von Heimat vermittelt – nicht als Ort, sondern als Klangidee (9.9.). In ihrem Zusammenspiel mit Julian Steckel entstehen poetische Resonanzen zwischen norwegischer Folklore und europäischer Kammermusik, zwischen Tradition und Erneuerung.
Einblicke in die Kunst des Instrumentenbaus
Das große Finale am 10. September bringt, ganz im Zeichen des Festivalmottos, die Fäden zusammen: Unter dem Titel „Julian Steckel and Friends“ versammelt der Künstlerische Leiter hier mit Geiger Feng Ning, dem Bratschisten Wen Xiao Zheng sowie erneut mit dem Pianisten Frank Dupree hochkarätige Virtuosen. Es entsteht ein bewegtes Klangbild vom Duo bis zum Quartett. Werke von Mahler, Mozart und Schumann sprechen für sich – und spiegeln das Festival auf subtile Weise noch einmal wider: Ein feines Zusammenspiel von Temperament und Struktur, von Persönlichem und Gemeinsamen, von Intimität und Öffentlichkeit durchströmt den Kaisersaal.

Doch das Festival vielsaitig ist mehr als eine bloße Konzertreihe. Es ist auch ein Ort der Begegnung. So liefern im Rahmen des „Treffpunkt Geigenbau“ regionale Instrumentenbaumeister mit Vorträgen und einer Ausstellung Einblicke in ihr traditionsreiches Handwerk, lassen Instrumente sprechen, erklären Materialien, geben ihre Kunst weiter. Füssen, die Stadt mit musikalischem Erbe, wird zum Ort lebendiger Reflexion über Klang und Handwerk.