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Budapester Frühlingsfestival 2019

Ein Fest für Ohr und Auge

Das Budapester Frühlingsfestival wandelt auf den Spuren von Franz Liszt – und bietet die Möglichkeit, die Stadt von ihren schönsten Seiten zu erleben.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Der Frühling ist die Zeit des Aufbruchs und des Lebens, und in autoritären und kommunistischen Regimen gerne eine politische Metapher für den Kampf gegen Unterdrückung und für die Freiheit. Das Budapester Frühlingsfestival, 1981 während des Kalten Kriegs gegründet, versteht sich eher als kulturelles Schaufenster einer Stadt, die sich wiederum als Gesicht einer selbstbewussten Nation betrachtet. Weil es allerdings bis heute von der ungarischen Tourismusbehörde und anderen staatlichen Institutionen organisiert und finanziert wird, unkte so mancher ausländischer Journalist, dass das Budapester Frühlingsfestival mehr Marketinginstrument sei und kein dezidiertes musikalisches Konzept hätte. Als müsste ein Festival per se in kunstästhetischer Hinsicht Widerstand gegen alles Etablierte leisten – besonders jetzt in Zeiten Viktor Orbáns. Muss es nicht.

Budapest, Blick auf Stadt und den Regierungssitz
Budapest, Blick auf Stadt und den Regierungssitz © shutterstock

Keine Ausgabe des Budapester Frühlingsfestivals läuft ohne die Musik von Franz Liszt ab, den übrigens der Musikwissenschaftler Alfred Einstein „einen Revolutionär“ nannte und der in Ungarn wie ein Nationalheld gefeiert wird – auch wenn das Burgenland, wo er geboren wurde, heute zu Österreich gehört.

Die Kirchenbank, auf der Franz Liszt gesessen hat

Etwa sieben Kilometer muss man zurücklegen, um in Budapest auf Liszts Spuren zu wandeln. Geht man die Stationen seines Lebens ab, so kommt man auch an den wichtigsten musikalischen „Locations“ vorbei, in denen das Festival stattfindet: vorbei an der Franziskanerkirche in Pest, in die Liszt als Kind mit seinem Vater ging, einem Dorflehrer, der ursprünglich Mönch werden wollte. Die Kirchenbank, auf der Liszt wohl saß, findet sich leicht. Auf ihr ist sein Name eingraviert.

Weiter geht es in Richtung Donau zum Pesti Színház („Pester Theater“), wo einst der Gasthof „Zu den sieben Stammesfürsten“ stand. Hier gab Liszt 1823 sein erstes Konzert, alles damals noch in der Stadt Pest an der östlichen Donauseite, die erst fünfzig Jahre später mit der gegenüberliegenden Buda zusammengelegt werden sollte – verbunden unter anderem durch die Elisabethbrücke.

Ein Konzert mit Richard Wagner

Budapest, Treppenhaus des Konzertsaals Vigadó
Budapest, Treppenhaus des Konzertsaals Vigadó © shutterstock

In unmittelbarer Nähe, fast am Pester Donauufer, steht auch das Vigadó, Budapests schönster Konzertsaal. Ein geschichtsträchtiger Ort, der immer wieder zerstört und wiederaufgebaut wurde. Heute erstrahlt der Bau mit seinen reichen Fassadenverzierungen in voller Pracht – ein Schmuckstück im neoromanischen Stil. Als Ball- und Konzertsaal wurde er genutzt, aber auch als Tagungsraum für das ungarische Parlament nach der Revolution 1848. Mitglieder der Wiener Strauss-Familie musizierten hier sowie Mascagni, Dvořák, Debussy, Bartók und Prokofjew. Auch Liszt trat hier sechsmal auf, zum ersten Mal 1838 bei einem Benefiz-Konzert für die Opfer der Flutkatastrophe. 1865 dirigierte er die Uraufführung seines Oratoriums „Die Legende von der Heiligen Elisabeth“. Zehn Jahre später fand hier das legendäre Konzert mit Richard Wagner statt.

Fährt man jetzt die Deák Ferenc Straße entlang, kommt man bald auf die Király, an deren Kreuzung mit der Liszt-Ferenc-Straße 1907 die Liszt-Akademie ihren endgültigen Platz fand: wuchtiger Jugendstil, sezessionistische Pracht im Herzen der Stadt. Eine Bronzefigur des Komponisten ziert die Fassade. Große Musiker gingen hier ein und aus: Béla Bartók und Zoltán Kodály, der nicht weit von hier wohnte, außerdem Léo Weiner und Ernö von Dohnányi sowie Georg Solti. Sie alle traten im wunderbaren Art-déco-Saal der Akademie auf, in dem auch heute wichtige Konzerte des Festivals stattfinden.

Budapest, Konzertsaal des Liszt-Akademie
Budapest, Konzertsaal des Liszt-Akademie © shutterstock

Für „Sissis“ Krönung schrieb er eine Messe

Mit der Metro geht es weiter zur Vörösmarty-Station. Auf Vörösmarty Nr. 35 lebte Liszt bis zu seinem Tod 1886. Eine Dienstwohnung sozusagen, weil hier auch der Sitz der ersten Musikakademie war, die Liszt 1875 gründete. Heute ist hier das Ferenc Liszt Memorial Museum untergebracht. Hier findet sich auch die Partitur, die den damaligen gesellschaftlichen Rang von Liszt belegt, der ja nicht von Adel war: Die „Missa Coronationalis“, die er zur Krönung des österreichischen Kaiserpaars Franz Joseph I. und Elisabeth „Sissi“ zum König und zur Königin von Ungarn schrieb. Am 8. Juni 1867 wurde sie in der neugotischen Matthiaskirche auf dem Budaer Burgberg, in der Krönungskirche etlicher Kaiser, in Anwesenheit des Komponisten uraufgeführt.

Von der Vörösmarty-Station sind es nur zwei Haltestellen bis zur Staatsoper in der Andrássy Straße, die parallel zur Király Straße läuft. Das reich geschmückte neobarocke Haus, eines der schönsten Opernhäuser überhaupt, wurde zu Lebzeiten Liszts zwischen 1875 und 1884 errichtet und von der Stadt sowie Kaiser Franz Joseph I. finanziert. Vor dem Gebäude findet sich eine Statue von Liszt und eine von Ferenc Erkel, dem Komponisten der ungarischen Nationalhymne und ersten Direktor der Oper. Einer seiner Nachfolger war Gustav Mahler, der von 1888 bis 1891 das Haus leitete. Otto Klemperer gastierte hier, und Puccini inszenierte hier zweimal die Premieren seiner Opern. Eine weitere Spielstätte der Staatsoper wie auch des Festivals ist das moderne Erkel-Theater im Osten der Stadt.

Das Budapester Frühlingsfestival im „Müpa“

Fährt man aus der Stadt am Pester Donauufer entlang in Richtung Süden, stößt man auf der Höhe der Rákóczi Brücke auf den modernen Palast der Künste. Im Volksmund Müpa genannt (die Abkürzung für Művészetek Palotája) beherbergt der schnörkellose Bau von 2005 mit der mächtigen Glasfront drei große Einrichtungen: den Nationalen Béla-Bartók-Konzertsaal mit der größten Orgel des Landes und Platz für rund 1700 Besucher, das Ludwig-Museum für zeitgenössische Kunst und das Festival-Theater, der Sitz des Nationalen Tanztheaters. Das „kulturelle Einkaufszentrum“, wie einer der Auftraggeber das Müpa nannte, offeriert Kultur zu jedem Preis und für jedes Alter. Die meisten Konzerte des Festivals finden hier statt.

Budapest, Liszt-Denkmal
Budapest, Liszt-Denkmal © shutterstock

Seit über 130 Jahren ist Liszt tot. Am Ferenc-Liszt-Platz aber erlebt er den ewigen Frühling. Dort hat man ihn in Bronze verewigt – so, wie er sich sah: als jungen Zauberer mit wild wehender Mähne. An jedem Wochenende legt sich ganz Budapest ihm zu Füßen. Wohl auch wegen der vielen Kneipen und Restaurants dort.

Joseph Calleja wird beim diesjährigen Budapester Frühlingsfestival auftreten:

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concerti-Tipp:

Budapester Frühlingsfestival 2019
5.-22.4.2019
Mit: Ferenc Snétberger, Joseph Calleja, Ballett des Theaters Basel, Pier Giorgio Morandi, Orchester der Ungarischen Staatsoper u. a.

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