Wagner: Tristan und Isolde

Musikdrama von 1865

(UA München 1864)

Tristan bringt Isolde seinem Oheim König Marke als Braut. Nach einer Aussprache auf der Überfahrt von Irland nach Cornwall wollen beide gemeinsam sterben, doch Brangäne, Isoldes Vertraute, vertauscht Todes- und Liebestrank. Tristan und Isolde treffen sich, als Marke auf der Jagd ist. Von Melot, einem Höfling, gewarnt, überrascht er beide. Tristan stürzt sich in Melots Schwert … Tristan erwartet Isolde, um sterben zu können. Kurwenal, sein Vertrauter, pflegt ihn auf Kareol, der Burg seiner Väter. Als ein Schiff Isolde bringt, haucht er noch ihren Namen. Marke, in Kenntnis des Tranks, will beide zusammengeben, doch Isolde stirbt an Tristans Seite.

Diese dürre „Handlung“ wird durch eine lange, blutige Vorgeschichte, durch eine psychisch gereizte, mit Elementen der lebensfeindlichen, todessüchtigen Philosophie Schopenhauers angereicherte Dichtung und vor allem durch eine klangtrunkene, rauschhafte, alle Grenzen übertretende Musik zu einem Seelendrama von unwiderstehlicher Ausstrahlung. „Kind, dieser Tristan wird fürchterlich!“, schrieb Wagner seiner „Muse“ Mathilde Wesendonk. Den Protagonisten, dem Orchester und dem Publikum wird viereinhalb Stunden lang viel abverlangt!

Das Vorspiel beginnt langsam und schmachtend mit einer sehnsüchtigen Geste (Violoncelli), die sich in einer schmerzhaften Kadenz (Holzbläser) löst: der „Tristan-Akkord“… für sich genommen ist er ein weicher gis-Moll-Quintsextakkord, aber in diesem Zusammenhang wirkt er wie eine harte Dissonanz. Viele Komponisten haben die Tristan-Musik weitergedacht. Lässt Wagner Konsonanzen dissonant wirken, so lässt Alban Berg Dissonanzen konsonant wirken. Das Vorspiel steht in a-Moll, aber von seiner Tonalität ist nur der erste auftaktige Ton „a“ geblieben – könnte man da den Bezug zu einer Tonart nicht aufgeben?

Unvergesslich:

– Tristans erzwungener Auftritt vor Isolde im ersten Aufzug – zwei Minuten beredtes Schweigen,

– das von beiden erwartete Sterben nach dem (vermeintlichen) Todestrank,

– die traumhaften Hörnerklänge der (vorgetäuschten) Jagd im zweiten Aufzug,

– Isoldes ungeduldiges Warten auf Tristan, nachdem sie die warnende Fackel gelöscht hat – darunter das Thema der Todessehnsucht,

– der sowohl drängende als auch zögernde Rhythmus im Duett O sink hernieder, Nacht der Liebe,

– die Habet acht!-Rufe von Brangäne an das ineinander versunkene Paar,

– die orgiastische Steigerung (lebensgefährlich für Dirigenten!) bis zu Markes Dazwischentreten,

– Markes erschütterter Monolog über Tristans Verrat – mit erschütterndem Bassklarinettensolo,

– die traurige Hirtenweise im dritten Aufzug – ein lang gezogenes, fantasierendes Englischhornsolo,

– Tristans schwermütige Gedanken dazu, dichterisch von großer Schönheit und Tiefe,

– sein lebensfeindlicher, leidenschaftlicher Fluch gegen sich selbst,

– seine Vision des Schiffes, das ihm Isolde bringt … ein über den Wellen schwebender Bläsersatz,

– Isoldes Liebestod – in einem unendlichen, nachtblauen Klangweltinnenraum.

Wie ein seelisches Intermezzo schob Wagner zwei Musikdramen zwischen sein Ring-Projekt: Eine Hymne an die Nacht und eine Hymne an den Tag (Die Meistersinger von Nürnberg). Im Mittelpunkt von Tristan und Isolde steht der zweite Aufzug: Eine warme Sommernacht …

(Mathias Husmann)

Die wichtigsten Fakten zu Wagners „Tristan und Isolde“

Uraufführung: 10. Juni 1865, Nationaltheater München

Spieldauer: ca. 3:50 Stunden

Personen:

  • Tristan (Tenor)
  • König Marke (Bass)
  • Isolde (Sopran)
  • Kurwenal (Bariton)
  • Melot (Tenor/Bariton)
  • Brangäne (Sopran oder Mezzosopran)
  • Ein Hirte (Tenor)
  • Ein Steuermann (Bariton)
  • Stimme eines jungen Seemanns (Tenor)
  • Schiffsvolk, Ritter und Knappen. Isoldes Frauen
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